Entscheidungsstichwort (Thema)
Bußgeldbescheid wegen unzulässiger Einflussnahme auf Händler-Preisgestaltung bei Hörgeräten, § 21 Abs. 2 GWB
Tenor
I.
Mitarbeitern der Nebenbetroffenen wird zur Last gelegt, gegen § 21 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verstoßen zu haben, indem sie einem anderen Unternehmen, und zwar der Firma […], Nachteile in Form von Liefersperren angedroht bzw. zugefügt haben, um es zur Einhaltung eines gewissen Preisniveaus beim Wiederverkauf von Hörgeräten der Nebenbetroffenen zu veranlassen.
– Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 GWB, §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs. 1, 30, 130 OWiG –.
II.
Gegen die Nebenbetroffene wird wegen der oben bezeichneten Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von
[…] EURO |
(in Worten: […] EURO) |
festgesetzt. Diese Geldbuße dient ausschließlich der Ahndung des ordnungswidrigen Verhaltens.
III.
Die Nebenbetroffene hat die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) zu tragen (§ 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 464 Abs. 1, 464a Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO).
Die Gebühren betragen nach § 107 Abs. 1 OWiG
[…] EURO |
(in Worten: […] EURO). |
Die Auslagen betragen insgesamt
[…] EURO |
(in Worten: […] EURO). |
und sind ebenfalls von der Nebenbetroffenen zu tragen (§ 105 Abs. 1 OWiG).
IV.
Die Nebenbetroffene wird aufgefordert, spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bußgeldbescheides die Geldbuße und die Kosten (Gebühren und Auslagen), zusammen also
[…] EURO |
(in Worten: […] EURO […]) |
[…]
zu zahlen.
Als Verwendungszweck bitte folgendes Kassenzeichen angeben:
Im Fall der Zahlungsunfähigkeit hat die Nebenbetroffene schriftlich oder zur Niederschrift darzutun, warum ihr die fristgerechte Zahlung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zumutbar ist (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 b OWiG).
Wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird, kann das Oberlandesgericht in Düsseldorf nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit auf Antrag des Bundeskartellamtes Erzwingungshaft anordnen (§§ 95 Abs. 1, 96 Abs. 1, 99 OWiG; §§ 83, 86 GWB).
V.
Beweismittel
Akte des Bundeskartellamtes B 3 – 69/08.
Tatbestand
Begründung
A. Sachverhalt
I. Unternehmen
Rz. 1
Die Nebenbetroffene ist ein 100%-iges Tochterunternehmen der […]. […] ist über ihre Tochtergesellschaften weltweit in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Hörgeräten aktiv. Die Nebenbetroffene vertreibt die Hörgeräte und Zusatzgeräte der […] in Deutschland . Hier erzielte sie im Jahr 2008 nach eigenen Angaben einen Umsatz von ca. […] EUR . Geschäftsführer der Nebenbetroffenen ist […], Vertriebsleiter ist […] .
Rz. 2
Die Firma […] ist ein inhabergeführtes Hörgeräteakustik-Unternehmen, welches Hörgeräte und Zusatzgeräte an Endkunden verkauft. Inhaber und Geschäftsführer der Firma […] ist […]. Das Unternehmen wurde im Jahr […] gegründet und begann im Jahr 2004 – als damals erstes – die Preise für Hörgeräte sämtlicher Hersteller im Internet zu veröffentlichen. Im Jahr 2006 lagen diese Preise bei Hörgeräten der Nebenbetroffenen zum Teil deutlich unterhalb der bis dato im Markt üblichen Preisuntergrenze .
II. Hintergrund
1. Marktstruktur
Rz. 3
Das Verfahren betrifft den Einzelhandel mit Hörgeräten in Deutschland . Das Gesamtvolumen dieses (Endkunden-) Marktes lag im Jahr 2006 bei mindestens 700 Mio. EUR und wird für das Jahr 2008 auf etwa 1 Mrd. EUR geschätzt .
Rz. 4
Die Struktur des Hörgeräte-Akustikhandels in Deutschland ist durch etwa 15-20 überregional tätige Filialisten mit mehr als 10 Filialen, ein halbes Dutzend großer Einkaufsgemeinschaften und etwa 1.500 Unternehmen mit einer bis drei Filialen gekennzeichnet.
Rz. 5
Das Volumen des vorgelagerten Marktes für die Herstellung und den Vertrieb von Hörgeräten an den Hörgeräte-Akustikhandel betrug in Deutschland im Jahr 2006 rd. 205 Mio EUR . Der Konzentrationsgrad auf Herstellerseite ist sehr hoch. Die drei führenden Anbieter Siemens, Phonak und Oticon halten in Deutschland einen gemeinsamen Marktanteil von über 80% und bilden nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 26. November 2008 gemeinsam ein wettbewerbsloses Oligopol .
Rz. 6
Der Vertrieb von Hörgeräten ist sowohl auf der Ebene der Hörgerätehersteller als auch auf der Ebene der Hörgeräteakustiker durch mangelnden Preiswettbewerb gekennzeichnet . Im Fusionskontrollverfahren Phonak/GN ReSound hat die Beschlussabteilung festgestellt, dass die Hörgerätehersteller und die Hörgeräteakustiker in Deutschland eine größtenteils gemeinsame Interessenlage haben, die nicht in einem gegeneinander gerichteten Wettbewerbsdruck liegt, sondern in dem Bestreben, gegenüber dem Endkunden sowohl für den Hersteller als auch für den Hörgeräteakustiker die größtmögliche Gewinnmarge zu erzielen. Die Durchsetzung solcher gleichgerichteter Interessen ist dann möglich, wenn der Endkunde – wie im hier relevanten Markt – über keine Produkt- und Preistransparenz verfügt .
Rz. 7
Im Falle einer Hörminderung wird der Patient typischerwe...