Entscheidungsstichwort (Thema)

Untersagung diskriminierenden und behindernden Verhaltens nach §§ 32, 20 Abs. 1 und 2 GWB

 

Tenor

1. Der RMS Radio Marketing Service GmbH & Co. KG, Hamburg, wird untersagt, sich zu weigern, Hörfunkwerbezeiten der 100,eins Radio Aachen GmbH & Co. KG, Würselen, und der 107,8 Antenne AC GmbH & Co. KG, Würselen, die in den Vermarktungszeitraum ab dem 01. Januar 2002 fallen, an nationale Werbekunden zu vermarkten.

2. Die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung zu 1. wird angeordnet.

3. Die Gebühr für diese Verfügung wird auf xxx (nachrichtlich xxx) festgesetzt und der Beteiligten zu 1. auferlegt.

 

Tatbestand

A.

I. 1. Die Dornier Medien GmbH & Co. KG, München, (nachfolgend: Dornier) betreibt für das Gebiet der Stadt Aachen die Hörfunk-Betriebsgesellschaft 100,eins Radio Aachen GmbH & Co. KG, Würselen, (nachfolgend: Radio Aachen Stadt) und für das Gebiet des Landkreises Aachen die Hörfunk-Betriebsgesellschaft 107,8 Antenne AC GmbH & Co. KG, Würselen (nachfolgend: Radio Aachen Kreis; zusammen: die Aachener Sender).

2. Das nordrhein-westfälische System für den lokalen Hörfunk ist dadurch gekennzeichnet, dass die 46 jeweils für unterschiedliche Gebiete zugelassenen und zusammen das Land Nordrhein-Westfalen weitgehend abdeckenden Hörfunksender jeweils aus zwei rechtlich selbständigen Einrichtungen, nämlich der Veranstaltergemeinschaft und der Betriebsgesellschaft bestehen.

  1. Die Veranstaltergemeinschaft ist ein eingetragener, nicht wirtschaftlicher Verein. In ihr sind alle maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppen am Ort vertreten. Sie erhält von der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, (nachfolgend: LfR) die Zulassung für die Veranstaltung eines lokalen Hörfunkprogramms, ist für das Programm allein verantwortlich und Arbeitgeber des Redaktionspersonals. Die Veranstaltergemeinschaften für das Hörfunkverbreitungsgebiet der Stadt Aachen (Veranstaltergemeinschaft für Lokalfunk in der kreisfreien Stadt Aachen e.V.) und für das Verbreitungsgebiet Aachen Kreis (Veranstaltergemeinschaft für den lokalen Rundfunk im Kreis Aachen Aktuelle Kreiswelle Aachen e.V. – nachfolgend auch: Aachener Veranstaltergemeinschaften –) haben von der LfR für die Dauer von zehn Jahren bis Januar 2002 bzw. November 2001 eine Zulassung für ein Programm von jetzt täglich 24 Stunden erhalten (Bl. 74 f. d.A.).
  2. Die Betriebsgesellschaft ist unternehmerisch organisiert. Sie stellt der Veranstaltergemeinschaft die erforderlichen finanziellen Mittel zur Programmveranstaltung aus Kapitaleinlagen und Hörfunkwerbeeinnahmen zur Verfügung. Die Veranstaltergemeinschaft erhält die Zulassung nur, wenn sie für die beantragte Dauer eine entsprechende Vereinbarung mit einer Betriebsgesellschaft nachweist, deren sie sich zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben bedient. Die Vermarktung der Hörfunkwerbezeiten erfolgt durch die Betriebsgesellschaft. Bei ihr verbleiben auch Überschüsse aus den Werbeeinnahmen. Der jährliche Stellen- und Wirtschaftsplan der Veranstaltergemeinschaft bedarf wegen der finanziellen Rückwirkungen auf die Betriebsgesellschaft deren Genehmigung (vgl. das Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – nachfolgend: LRG NW – in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1998 – GV.NW. S. 240 –, insbes. §§ 25 und 29). Die Betriebsgesellschaft hat daher einen wirtschaftlich großen Einfluss auf die Veranstaltergemeinschaft und trifft die wirtschaftlich maßgebenden Entscheidungen bei der Veranstaltung privaten lokalen Hörfunks.
  3. Anders als bei den übrigen 44 Betriebsgesellschaften handelt es sich bei den Aachener Sendern nicht um solche mit Beteiligungen der örtlichen Tageszeitungsverlage. Das private Hörfunksystem in Nordrhein-Westfalen enthält ein Zeitungsverlegerprivileg. Zur Abmilderung des Substitutionswettbewerbs der Hörfunkwerbung auf die lokale Presse sieht die Regelung des § 29 Abs. 4 LRG NW vor, dass die Veranstaltergemeinschaft die vertragliche Vereinbarung nur mit einer Betriebsgesellschaft abschließen darf, „die erwarten lässt, dass sie zur Gewährleistung einer freien und vielfältigen Presse den Belangen aller im Verbreitungsgebiet (§ 31) erscheinenden Tageszeitungen mit Lokalausgaben angemessen Rechnung trägt.” Hiervon kann die LfR nur im Ausnahmefall absehen (§ 29 Abs. 5 Satz 1 LRG NW). Im Fall der Kündigung durch die Betriebsgesellschaft entfällt das Zeitungsverlegerprivileg (§ 29 Abs. 7 Nr. 1 Satz 3 LRG NW). Am Kapital und an den Stimmrechten einer Betriebsgesellschaft dürfen die örtlichen Tageszeitungen mit Anteilen von insgesamt bis zu 75 % beteiligt sein.
  4. Nach Darstellung von Dornier hatten die Betriebsgesellschaften mit Verlagsbeteiligung die Verträge mit den Aachener Veranstaltergemeinschaften wegen anhaltender Verluste zum 31. Dezember 1998 gekündigt. Anschließend verhandelten die beiden Veranstaltergemeinschaften u.a. mit Radio Energy, Murdoch und Dornier mit dem Ziel der Übernahme der Betriebsfunktion. Seit dem 1. Januar 1999 sind die Dornier gehörenden Aachener Sender als Betrie...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge