Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachprüfungsantrag wegen des Abschlusses der Vereinbarung über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73 b SGB V. des Abschlusses der Vereinbarung über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V zwischen der …, der … und der … einerseits und der …, dem …, dem … und dem … andererseits
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen zu 1), zu 2) und zu 3).
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zu 1) war notwendig.
Tatbestand
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) zu 1), der …, …, der …, der … und der … haben mit den Beigeladenen (Bg) zu 1) bis 4) am 12. Februar 2007 einen Vertrag über die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V abgeschlossen, der am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist (im Folgenden: HzV-Vertrag ALT). Weitere Krankenkassen können dieser Vereinbarung beitreten (vgl. § 2 Abs. 2 HzV-Vertrag ALT). Dieser Vertrag wurde nicht befristet und kann gemäß § 12 Abs. 2 HzV-Vertrag ALT mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Wird die Vereinbarung von einer Vertragspartei gekündigt, behält die Vereinbarung gemäß § 12 Abs. 3 HzV-Vertrag ALT für die übrigen Vertragsparteien weiterhin ihre Gültigkeit, es sei denn durch die Kündigung des Vertragspartners entfällt die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung.
Die Ag zu 2) ist dem HzV-Vertrag ALT unstreitig beigetreten.
Die Ag zu 3) wurde gemäß § 211 Abs. 2 Nr. 3 SGB V vom für sie zuständigen Landesverband …, Geschäftsbereich …, beim Abschluss des HzV-Vertrags ALT vertreten
Am 7. März 2009 kündigte die Bg zu 2) den HzV-Vertrag ALT zum Quartalsende am 30. Juni 2009. Zwischen der Bg zu 2) und den Ag'innen wurden anschließend Schiedsverfahren zum Abschluss eines sog. Primärvertrags über die Hausarztzentrierte Versorgung i.S.d. § 73b Abs. 4 S. 1, 2 SGB V eingeleitet.
Am 29. bzw. 30. September 2009 kündigten die Ag zu 1), die Ag zu 2) und der …, Geschäftsbereich …, den HzV-Vertrag ALT gegenüber den Bg zu 1), 3) und 4) jeweils zum 31. Dezember 2009.
Am 23. Dezember 2009 wurden zwischen der Ag zu 1) und der Bg zu 2) sowie der Antragstellerin (ASt) als sog. „Dienstleistungsgesellschaft” der Bg zu 2) aufgrund eines Schiedsspruchs ein Vertrag „zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V” geschlossen („HzV-Vertrag NEU”). Dieser Vertrag trat am 1. Januar 2010 in Kraft, insbesondere die Vergütungs- und Abrechnungsregeln für die teilnehmenden Hausärzte sowie die Vereinbarungen über die an die Bg zu 2) zu zahlende Verwaltungskostenpauschale gelten jedoch erst ab dem 1. Juli 2010 (s. § 16 Abs. 1, 2 i.V.m. §§ 6 Abs. 3, 10 bis 14, 3 Abs. 3 bis 5 HzV-Vertrag NEU). Die Schiedsverfahren zwischen den Ag zu 2) und zu 3) und der Bg zu 2) sind derzeit noch nicht abgeschlossen.
Ebenfalls am 23. Dezember 2009 nahmen die Ag zu 1), die Ag zu 2) und der Landesverband …, Geschäftsbereich …, im Einvernehmen mit den Bg zu 1), 3) und 4) ihre Kündigungen des HzV-Vertrags ALT zurück.
2. Die ASt hat bei der Vergabekammer des Bundes über ihre Verfahrensbevollmächtigten am 22. Januar 2010 Nachprüfungsanträge gegen die Ag zu 1), zu 2) und zu 3) gestellt (VK 1-7/10, VK 1-10/10 und VK 1-13/10). Diese Verfahren wurden nach der Übermittlung der Nachprüfungsanträge mit Beschluss vom 27. Januar 2010 unter dem Aktenzeichen VK 1-7/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
a) Die ASt meint, die Fortführung des 2007 abgeschlossenen Vertrags („HzV-Vertrag ALT”) trotz der Kündigung sei ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens nicht zulässig. Bei diesem Vertrag handele es sich offenkundig um keinen Primärvertrag i.S.d. § 73b Abs. 4 S. 1 SGB V, bei der Vergabe aller anderen Verträge nach § 73b Abs. 4 SGB V (sog. Sekundärverträge) müssten die Ag'innen jedoch gemäß § 73b Abs. 4 S. 5 SGB V ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung durchführen.
Die zivilrechtliche Beurteilung der einvernehmlichen Rücknahme einer Kündigung könne die vergaberechtliche Bewertung nicht beeinflussen, denn dem Vergaberecht liege ein funktionelles Auftragsverständnis zugrunde. Die ASt meint, der ursprüngliche HzV-Vertrag ALT sei durch die von den Ag'innen erklärten Kündigungen von einem unbefristeten Vertragsverhältnis in ein Vertragsverhältnis umgewandelt worden, das zum 31. Dezember 2009 enden sollte. Die Rücknahme der Kündigungen sei daher letztlich ein Vertrag über die Verlängerung eines befristeten Dauerschuldverhältnisses und damit vergaberechtlich ein neuer Beschaffungsvorgang über die Neuvergabe eines fakultativen Sekundärvertrags nach § 73b Abs. 4 S. 3 SGB V. Materiell betrachtet liege der Entscheidung der Ag'innen über die Rücknahme ihrer Kündigungen auch ein neuer Beschaffungsbedarf zugrunde: So sei die Kündigung des HzV-Vertrags ALT am 30. September 2009...