Entscheidungsstichwort (Thema)

Scandlines Deutschland GmbH. Zugang zu Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens Puttgarden

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Weigerung der Beteiligten zu 2., Dritten gegen ein angemessenes Entgelt Zugang zu den in ihrem Eigentum stehenden see- und landseitigen Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens Puttgarden zu gewähren, um einen zwischen Rødby und Puttgarden verkehrenden Fährdienst für Passagiere und Kraftfahrzeuge einzurichten und zu betreiben, gegen Art. 102 AEUV (ex Art. 82 EG) und § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verstößt.

2. Es wird festgestellt, dass die Weigerung der Beteiligten zu 2., die für eine Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden erforderlichen Vorkehrungen (insbesondere in Bezug auf Umbaumaßnahmen und öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren) im Einvernehmen mit den Zugangsinteressenten zu treffen bzw. diese zu ermöglichen, ebenfalls gegen Art. 102 AEUV (ex Art. 82 EG) und § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verstößt.

3. Zur Abstellung der in Ziff. 1. und 2. festgestellten Verstöße wird die Beteiligte zu 2. verpflichtet, Verhandlungen mit den Beigeladenen zu 1. und zu 2. (fortan: Beschwerdeführerinnen) aufzunehmen und die aus ihrer Sicht angemessenen Bedingungen einer diskriminierungsfreien Zugangsgewährung zu formulieren (Zugangsvorschlag). Gegenstand der Verhandlungen und des Zugangsvorschlags sind insbesondere die Fragen, inwieweit die Errichtung eines gemeinsamen Fährdienstes durch die Beschwerdeführerinnen allein unter Nutzung der vorhandenen Einrichtungen möglich ist oder inwiefern diese umzubauen und zu ergänzen sind, wer eventuelle Umbaumaßnahmen durchführt bzw. finanziert, wie eine Berücksichtigung der im nautischen Gutachten vom 23. Juni 2008 dargelegten Sicherheitsbestimmungen gewährleistet werden kann und welches Entgelt von der Beteiligten zu 2. für die Nutzung ihrer Einrichtungen verlangt werden kann.

4. Die aus Ziff. 3. dieser Verfügung folgenden Verpflichtungen sind wie folgt umzusetzen:

Die Aufnahme von Verhandlungen mit den Beschwerdeführerinnen sowie die Formulierung eines diskriminierungsfreien Zugangsvorschlags erfolgen bis spätestens zum 22. März 2010

5. Die Gebühr für diese Entscheidung wird auf […] Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

A. Sachverhalt

I. Die beteiligten Unternehmen

1. Scandlines GmbH/Scandlines Deutschland GmbH

Die Scandlines GmbH (die Beteiligte zu 1.) betreibt aktuell durch ihre Tochtergesellschaften Scandlines Danmark A/S und Scandlines Deutschland GmbH (die Beteiligte zu 2.) Fährstrecken auf insgesamt neun Fährverbindungen auf der Ostsee im Dreieck zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden sowie in die baltischen Staaten und nach Finnland.

Scandlines Deutschland GmbH und Scandlines Danmark A/S gehörten ursprünglich zur Scandlines AG, Rostock, eine Holdinggesellschaft, deren Vermögenswerte in ihren Tochtergesellschaften liegen: Scandlines Danmark A/S als Eigentümerin der Fährhafens Rödby, die hauptsächlich die Routen mit Heimathafen in Dänemark und die zugehörigen Cateringaktivitäten umfaßt; Scandlines Deutschland GmbH als Eigentümerin des Fährhafens Puttgarden, die hauptsächlich die Fährdienste zwischen Deutschland und den baltischen Staaten sowie den Border-Shop in Puttgarden betreibt. Die Fährdienste sowie der Border-Shop in Puttgarden werden heute von der Beteiligten zu 2. betrieben.

Die Scandlines AG war seit 1998 ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen zwischen der Deutschen Bahn AG und dem dänischen Verkehrsministerium. Im Juni 2006 veräußerten die beiden Eigentümer das Fährunternehmen an ein Konsortium aus Allianz Capital Partners GmbH, München (40%), der 3i Group Kopenhagen/Frankfurt Main (40%) und der Deutschen Seereederei GmbH, Rostock (20%); letztere als strategischen Partner. Im November 2007 wurde die Umwandlung der Scandlines AG in eine GmbH beschlossen (die Beteiligte zu 1.). Die Beteiligte zu 2. und Scandlines Danmark A/S sind wie bisher Tochtergesellschaften der Beteiligten zu 1., welche auch das operative Geschäft durchführen[1]. Die Beteiligte zu 1. und die Tochtergesellschaften werden durch ein einheitliches, übergreifendes Management bestehend aus drei Geschäftsführern geführt, wovon zwei Geschäftsführer zugleich die Geschäftsführung über die Beteiligte zu 2. ausüben.

In Deutschland ist die Beteiligte zu 1. über ihre Tochtergesellschaften in drei Ostseehäfen (Puttgarden, Rostock und Sassnitz) mit insgesamt 6 Fährverbindungen nach Dänemark, Schweden und Lettland vertreten. Die Fährroute Rødby/Puttgarden wird wegen ihrer idealen Linienführung als Vogelfluglinie bezeichnet. Sie ist die bekannteste und mit jährlich von über 6,7 Millionen bis zu mehr als 7 Millionen Passagieren die ertragreichste Fährverbindung des Unternehmens.[2] Im Jahr 2008 wurden daneben zuletzt mehr als 1,7 Millionen Pkw, über 370.000 Lkw und sogenannte Trailer, über 30.000 Busse und über 10.400 Personeneisen-bahnwaggons auf dieser Fährverbindung befördert.[3] Einzige Anbieter von Fährdienstleistungen auf der Vogelfluglinie sind die Tochtergesellschaften de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge