Rn 42
Die Bundesregierung hatte unter dem 09.08.2019 einen Entwurf eines "Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften" eingebracht. Der Wandel der Lebensverhältnisse, die wachsende Komplexität der Rechtsbeziehungen sowie die veränderten Erwartungen an die Justiz machen, so der Entwurf, gesetzliche Anpassungen des Zivilprozessrechts erforderlich, um auch künftig die hohe Qualität der Ziviljustiz zu sichern. Gleichzeitig soll durch eine Änderung zivilprozessualer Vorschriften eine effiziente Verfahrensführung ohne Einbußen des Rechtsschutzes gefördert werden.
Rn 43
Es soll die Spezialisierung der Gerichte in Zivilsachen ausgebaut und zu diesem Zweck der Katalog der obligatorischen Spezialspruchkörper bei den Land- und Oberlandesgerichten um diverse Rechtsmaterien, wozu insolvenzrechtliche Streitigkeiten und Beschwerden sowie Anfechtungssachen nach dem Anfechtungsgesetz zu zählen sind, erweitert werden. Danach werden gem. § 72a Abs. 1 Nr. 7 GVG bei den Landgerichten eine oder mehrere Zivilkammern für die insolvenzrechtlichen Streitigkeiten eingerichtet. Gleiches soll für die bei den Oberlandesgerichten eingerichteten Zivilsenaten gelten. Nach § 119a Abs. 1 Nr. 7 GVG werden bei den Oberlandesgerichten ein oder mehrere Zivilsenate eingerichtet, die für die benannten insolvenzrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind. Vorgesehen sind die Änderungen zum 01.01.2021. Die Änderungen im GVG dienen der Spezialisierung der Gerichte und der Qualitätssicherung.
Rn 44
Die Regelungen in § 72a und § 119a GVG dienen zudem dem Zweck, eine effiziente und ressourcensparende Bearbeitung und Entscheidung von Verfahren dadurch zu fördern, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit den genannten Materien eintritt.
Rn 45
Unter § 72a Abs. 1 Nr. 7 GVG sollen, so die Begründung für das Anpassungsgesetz, Streitigkeiten, die im internationalen Insolvenzrecht von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2015/848 über Insolvenzverfahren, erfasst werden, fallen. Dazu gehören insbesondere auch Streitigkeiten über Insolvenzanfechtungen nach den §§ 129 ff., Streitigkeiten über die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen nach § 88, insolvenzrechtliche Beschwerdesachen, Haftungsklagen gegen Insolvenzverwalter wegen Verletzung ihrer insolvenzrechtlichen Pflichten nach §§ 60, 61, Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter wegen Zahlungen bei materieller Insolvenz nach § 64 GmbHG und vergleichbaren Anspruchsgrundlagen wie § 92 Abs. 2, § 93 Abs. 2 Nr. 6 AktG oder die §§ 130a, 177a HGB sowie Klagen, mit denen nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a und vergleichbaren Anspruchsgrundlagen wie die §§ 130a, 177a HGB Haftungsansprüche wegen Insolvenzverschleppung geltend gemacht werden. Nicht erfasst werden, so die Begründung, allerdings Feststellungsklagen nach den §§ 180 ff. InsO.
Rn 46
§ 119a Abs. 1 Nr. 7 GVG sieht entsprechend der Regelung des § 72a Abs. 1 Nr. 7 GVG auch auf der Ebene der Oberlandesgerichte die obligatorische Einrichtung von Spezialspruchkörpern für die jeweiligen Sachgebiete vor. Zwar sind Oberlandesgerichte nicht in den Instanzenzug bei Beschwerden gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts eingebunden. Das schließt es nicht aus, dass auch Beschwerdesachen mit insolvenzrechtlichem Bezug in die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte fallen können, wenn sie mit Streitigkeiten im Zusammenhang stehen, für die in erster Instanz die insolvenzrechtliche Spezialkammer beim Landgericht zuständig ist (z.B. Beschwerden wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe).
Rn 47
Das Gesetz wurde am 19.12.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Anpassungen von § 72a GVG sowie § 119a GVG treten mit Wirkung ab dem 01.01.2021 in Kraft.