Rn 77
Mit dem "Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfe 2021" und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021 – AufbhG 2021)" hat es im Nachgang an die Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 diverse, temporär begrenzte, Rechtsanpassungen gegeben. Das Gesetz hat in Bezug auf die Insolvenzantragspflicht aufgrund des "Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021" zu einer Aussetzung der Antragspflicht nach § 15a und § 42 Abs. 2 BGB bis jedenfalls zum 31.01.2022 geführt. Unter der Einschränkung, dass die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder des Hochwassers im Juli 2021 basiert, und dass zudem die begründete Aussicht auf Sanierung besteht, ist die Antragspflicht zeitlich begrenzt zwischen dem 10.07.2021 aufgrund der rückwirkenden Inkraftsetzung und dem 31.01.2022 ausgesetzt. Durch die Verordnungsermächtigung in § 2 des Gesetzes zur vorübergehen Aussetzung kann diese Aussetzungsfrist längstenfalls bis zum 30.04.2022 verlängert werden.
Rn 78
Die Antragspflicht nach § 15a wird damit zur Klarstellung und Erleichterung der Verhandlungen und Schadensabwicklung in klar umrissenen Fällen temporär ausgesetzt. Die Regelung berührt dabei nicht das Recht von Schuldnerinnen und Schuldnern oder Gläubigerinnen einen Insolvenzantrag zu stellen. Mithin wird nicht das Insolvenzrecht zur Gänze, sondern allein die der Straf- und Haftungsbewehrung unterliegende Antragspflicht nach § 15a und die haftungsbewehrte Antragspflicht nach § 42 Absatz 2 BGB ausgesetzt. Es muss sich um Fälle handeln, in denen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch die Starkregenfälle oder die Hochwasser im Juli 2021, auch soweit sie über Juli 2021 hinaus andauert und erst nach Juli 2021 zu Schäden führt, verursacht wurde. Unschädlich ist es, wenn das betreffende Unternehmen schon vorher in Schwierigkeiten war, die für sich genommen die Antragspflicht aber noch nicht begründeten. Es müssen in jedem Fall ernsthafte Verhandlungen mit Banken, Entschädigungsfonds, Versicherungen, der öffentlichen Hand etc. geführt werden. Diese Verhandlungen dürfen auch nicht endgültig gescheitert sein. Scheitern sie vor dem 31. Januar 2022 endgültig oder werden sie anderweitig beendet, so endet auch die Aussetzung der Antragspflicht. Es muss ferner aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Organs eine begründete Aussicht darauf bestehen, dass das Unternehmen nach Erreichen eines Entschuldungskonzepts, nach Feststellung und Gewährung von Versicherungsleistungen oder nach der Zusage von staatlichen oder karitativen Entschädigungsleistungen überlebensfähig ist. Dies ist in § 1 Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 als Konnex ausdrücklich normiert. Der 10.07.2021 wurde gewählt, weil zu diesem Datum erstmals in einigen Städten und Landkreisen der Katastrophenfall ausgerufen wurde.
Rn 79
Die rückwirkende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist zulässig. Zwar handelt es sich bei § 15a auch um eine strafrechtliche Vorschrift. Da es sich aber um eine Rückwirkung zugunsten der Täterin bzw. des Täters handelt, steht das Rückwirkungsverbot des Artikels 103 Absatz 2 GG dem nicht entgegen. Im Übrigen steht die Rückwirkung im Dienste überragender Gemeinwohlbelange zwecks Bewältigung einer Naturkatastrophe. Sie ist unter den Bedingungen der Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 eine erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme, die in ihrer konkreten Ausgestaltung den Interessen der Beteiligten auch hinreichend und angemessen Rechnung trägt. Die Insolvenzantragspflicht wird nicht vollständig ausgesetzt, sondern allein unter der engen Voraussetzung, dass Aussicht auf eine Sanierung des Unternehmens besteht. Daher werden insbesondere den Gläubigerinnen und Gläubigern keine übermäßigen Risiken aufgebürdet. 20. Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes