Rn 10
Basierend auf Abs. 1 wird für Schuldner, die einer Unternehmensgruppe gem. § 3e angehören (gruppenangehörige Schuldner), ein zusätzlicher Gerichtsstand eingeführt (Gruppen-Gerichtsstand). Eine Unternehmensgruppe im Sinne der InsO besteht nach § 3e Abs. 1 aus rechtlich selbstständigen Unternehmen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind durch die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung.
Als Unternehmensgruppe gelten gem. § 3e Abs. 2 auch eine Gesellschaft und ihre persönlich haftenden Gesellschafter, wenn zu diesen weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft zählt, an der eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. Der Gesetzgeber hat sich damit gegen eine Übernahme des Konzernbegriffs aus § 18 AktG entschieden und auch nicht auf die Definition der Unternehmensgruppe, etwa aus Art. 2 Nr. 13 i.V.m. Nr. 14 EuInsVO 2017, rekurriert.
Rn 11
Ein solcher Gruppen-Gerichtsstand kann bei dem Insolvenzgericht begründet werden, bei dem aus dem Kreis der gruppenangehörigen Schuldner der erste hierauf gerichtete Antrag gestellt wird. Es gilt damit das Prioritätsprinzip. Mithin ist grundsätzlich, vorbehaltlich der konkreten Prämissen des § 3a, der zuerst gestellte Antrag ausschlaggebend. Damit werden die Insolvenzgerichte, die für einen Gruppen-Gerichtsstand im Einzelfall überhaupt in Betracht kommen, auf diejenigen beschränkt, bei denen jeweils ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens nach § 3 vorliegt. Der Gesetzgeber hat das Prioritätsprinzip eingeführt, obschon der Gesetzesentwurf diesbezüglich kritisiert wurde, und eine grundsätzliche Festlegung auf den Gerichtsstand des jeweiligen Mutterunternehmens postuliert wurde.
Rn 12
Die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands setzt nach Abs. 1 Satz 1 zunächst voraus, dass in Bezug auf den Schuldner ein zulässiger Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt. Nicht notwendigerweise muss der Antrag nach § 3, im Gegensatz zu § 3a, ein Eigenantrag sein.
Rn 13
Irrelevant für den Eröffnungsantrag ist, wer diesen stellt. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann nämlich auch ein Fremdantrag sein. Die Begründung des Regierungsentwurfs vom 30.01.2014 ist diesbezüglich indifferent und widersprüchlich. Auf Seite 19 wird in diesem Kontext noch davon gesprochen, dass "es künftig einem eigenantragstellenden Unternehmen" möglich sein soll den Gruppen-Gerichtsstand gem. § 3a zu beantragen. Aus dieser Formulierung wurde bereits der Schluss gezogen, dass es auch ein Eigenantrag nach § 3 sein müsse. Dies ist abzulehnen. Der Regierungsentwurf sieht auf Seite 26 nämlich vor, dass § 3a auch dann gilt, "wenn der Eröffnungsantrag von einem Gläubiger gestellt wurde". Es handelt sich also um ein Redaktionsversehen. Es können mithin auch Eröffnungsanträge gem. § 3 von Gläubigern vorliegen, auf deren Basis dann der Schuldner einen Antrag nach § 3a stellen kann. Anderenfalls würde ein Gruppen-Gerichtsstand durch einen zulässigen Eröffnungsantrag eines Gläubigers verhindert.
Rn 14
Chronologisch betrachtet kann es zu diversen Anträgen bei unterschiedlichen Gerichten kommen. Stellt ein Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei einem unzuständigen Gericht, kann ein Schuldner i.S.v. § 3a einen Verweisungsantrag an das zuständige Insolvenzgericht stellen, und zugleich einen weiteren Antrag auf Eröffnung des Gruppen-Gerichtsstands nach § 3a.
Rn 15
Hauptsächlich können Gläubiger nur einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, der Basis eines Schuldnerantrags gem. § 3a ist. Der Wortlaut der Norm verbietet indes bereits einen Antrag nach § 3a durch einen Gläubiger. Gläubigeranträge sind in diesem Kontext unbeachtlich. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich erfolgreiche Sanierungen kaum jemals gegen den Willen einer Unternehmensleitung planen und durchführen lassen. Die uneingeschränkte Zulassung von Gläubigeranträgen könnte die Planbarkeit des Insolvenzbewältigungsprozesses aus Sicht der Konzernleitung und der jeweiligen Geschäftsleitungen empfindlich beeinträchtigen. Zudem wird es Gläubigern einzelner Konzerngesellschaften oft an den Informationen und Unterlagen fehlen, die für die Beurteilung der Situation auf Konzernebene und damit für die Entscheidung erforderlich sind, ob eine konzernweite Insolvenzbewältigungsstrategie zweckmäßig ist. In der Regel darf überdies erwartet werden, dass sich die Schuldner und Gläubiger zur Maximierung der Erfolgsaussichten einer Sanierung bereits im Vorfeld der Antragstellung abstimmen.
Rn 16
Für die Fälle, in denen dies nicht gelingt und ein Verfahren auf einen Gläubigerantrag hin eröffnet wurde, ohne dass die Konzerngesellschaften von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, eine Konzernzuständ...