Rn 24
Der § 2 Abs. 1 COVInsAG stellt im ersten Halbsatz die Grundvoraussetzungen für die von ihm gewährten Privilegien voran: Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags muss nach § 1 COVInsAG ausgesetzt sein (dazu oben Rdn. 3a). Im Ausgangspunkt gilt damit, dass sämtliche neu gewährten Kredite und Sicherheitenbestellungen im Aussetzungszeitraum privilegiert sind, weil die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO bzw. § 42 Abs. 2 BGB in diesem Zeitfenster nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 und/oder Abs. 3 COVInsAG ausgesetzt ist.
Rn 25
Allerdings gelten auch die Einschränkungen nach Satz 2 von § 1 Abs. 1 COVInsAG ("dies gilt nicht"), d.h. die Insolvenzreife der Gesellschaft, die einen Kredit aufnimmt bzw. Sicherheiten bestellt, muss auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruhen und es müssen Aussichten darauf bestehen, dass eine bestehende Zahlungsunfähigkeit bis zum Ende des Aussetzungszeitraums beseitigt werden kann (zu den Schwierigkeiten der entsprechenden Anwendung dieser Maßgaben auf die Aussetzungszeiträume nach § 1 Abs. 2 und/oder Abs. 3 COVInsAG ausf. oben Rdn. 3c). Dabei handelt es sich um objektive Tatbestandsmerkmale, d.h. der gute Glaube an einen entsprechenden Ursachenzusammenhang bzw. an entsprechende Aussichten eröffnet nicht die Privilegierungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG. Die Gesetzesbegründung weist jedoch darauf hin, dass auch dem Kreditgeber bzw. dem Sicherheitennehmer die (widerlegliche) Vermutung des § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG zu Gute kommen soll, d.h. vermutet wird, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war (zur unklaren Anwendung dieser Vermutung im verlängerten Aussetzungszeitraum nach § 1 Abs. 2 COVInsAG siehe ebenfalls bereits oben Rdn. 3c).
Rn 26
Im Ergebnis hat in einem Folgeinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter, der Zins- und Tilgungsleistungen oder eine Sicherheitenbestellung anfechten will, nachzuweisen, dass eine Ausnahme von der Aussetzung der Antragspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG vorliegt bzw. muss die Vermutung nach dessen Satz 3 widerlegen. Für eine optimale Verteidigung haben der Darlehensgeber bzw. der Sicherheitennehmer mithilfe des sich in der COVID-19-Krise befindenden Unternehmens die negativen Voraussetzungen nach Satz 2 von § 1 Abs. 1 COVInsAG sorgsam zu dokumentieren. Dies setzt wenigstens
- eine schlüssige Analyse der Krisenursachen voraus, wobei eine Mitursächlichkeit der COVID-19-Pandemie für die aktuelle Krise hinreichend ist; sowie
- eine Liquiditätsplanung, aus der sich die Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit plausibel ergibt. Da "Aussichten" auf die Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit hinreichend sind, muss der Eintritt der Annahmen, die der Planung zugrunde liegen, nicht überwiegend wahrscheinlich im Sinne einer Wahrscheinlichkeit größer 50 % sein.
Im Fall der Kreditgewährung bzw. Sicherheitenbestellung erst im verlängerten Aussetzungszeitraum gem. § 1 Abs. 2 COVInsAG muss zudem nach § 2 Abs. 4 COVInsAG dokumentiert sein, dass spätestens ab dem 01.10.2020 keine Zahlungsunfähigkeit (mehr) vorgelegen hat.