Rn 52
Das COVInsAG enthält in § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 auch eine Vorschrift, die der Motivation der Geschäftspartner zur Fortsetzung des Leistungsaustausches in der COVID-19-Krise dient. Nach der Gesetzesbegründung hat dieses Privileg vor allem die Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen (z.B. Vermieter, Leasinggeber), aber auch Lieferanten im Blick. Das Risiko, vor dem die Geschäftspartner geschützt werden sollen, ist insbesondere das Risiko der Anfechtung von in der Krise erlangten Zahlungen. Vor dem COVInsAG wäre mit der üblichen Reaktion zu rechnen gewesen, dass es zu Kündigungen von Dauerschuldverhältnissen und Lieferstopps oder dem Wunsch nach Vorkasse, d.h. weiterem Liquiditätsbedarf gekommen wäre.
Rn 53
Vor diesem Hintergrund sollen nach Satz 1 des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG kongruente Deckungen im Aussetzungszeitraum in einem eventuellen Folgeinsolvenzverfahren zeitlich unbegrenzt nicht anfechtbar sein. Für die nach Satz 2 des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG aufgelisteten inkongruenten Deckungen im Aussetzungszeitraum gilt dieselbe Rechtsfolge, d.h. eine zeitlich unbegrenzte Insolvenzfestigkeit im Fall eines Folgeinsolvenzverfahrens. Voraussetzung für diese Privilegierung des Leistungsaustausches in der Krise ist das Vorliegen einer Deckungshandlung im Aussetzungszeitraum.
Rn 54
D.h. aber auch, dass die Forderung, die besichert oder befriedigt wird, eventuell vor dem Aussetzungszeitraum, also vor dem 1. März 2020 begründet sein kann. Das Privileg erfasst mithin auch die Befriedigung oder Sicherung von "Altforderungen".
Rn 55
Ferner müssen auch für die Privilegierung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG die Voraussetzungen des § 1 COVInsAG vorliegen, d.h. die Voraussetzungen für die Aussetzung der Antragspflicht (ausf. dazu oben Rdn. 3a). Schwer einzuordnen ist vor dem Hintergrund dieses Verweises auf die objektiven Voraussetzungen des § 1 COVInsAG der zusätzliche Hinweis in dem zweiten Halbsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 COVInsAG, nach dem die Privilegierung nicht gilt, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Hiernach scheint zwar für die Aussetzung der Antragspflicht, nicht aber für die Privilegierung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG Voraussetzung zu sein, dass die eingetretene Zahlungsunfähigkeit bis zum Ende des Aussetzungszeitraumes beseitigt werden können muss, d.h. objektiv muss beseitigt werden können. Vielmehr spricht der zweite Halbsatz dafür, dass der Geschäftspartner lediglich subjektiv keine positive Kenntnis davon gehabt haben darf, dass die Bemühungen objektiv nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bis zum Ende des Aussetzungszeitraums führen können. An sich reicht die positive Umstandskenntnis/grob fahrlässige Unkenntnis nicht aus, um den Tatbestand des § 1 COVInsAG zu erfüllen. Im Fall der Befriedigung oder Sicherung im verlängerten Aussetzungszeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020 wirkt sich diese Diskrepanz nicht aus, weil § 2 Abs. 4 COVInsAG verlangt, dass keine Zahlungsunfähigkeit (mehr) vorliegt, es mithin auf die Aussichten auf ihre Beseitigung nicht mehr ankommen kann, sie muss vielmehr bereits objektiv beseitigt sein.
Rn 55a
Die Privilegierung greift auch nicht (mehr), wenn ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits gestellt wurde und dies dem Gläubiger bekannt ist. Das ergibt sich im Regelfall schon daraus, dass es sich bei den Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit um solche Bemühungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens handeln muss, d.h. Bemühungen zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens und einer Antragstellung. Es müssen mit anderen Worten nicht nur die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG vorliegen, sondern es darf auch noch kein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden sein. So kann sich ein Gläubiger, der nach Antragstellung und Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens eine Deckung erlangt hat, gegen die spätere Insolvenzanfechtung durch den Sachwalter nach §§ 130, 131 InsO nicht etwa unter Hinweis auf das Privileg nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG verteidigen. Denkbar ist zwar, dass die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG vorgelegen haben, d.h. (i) die Insolvenzreife der Schuldnerin unstreitig auf den Folgen der Ausbreitung des Sars-COV2-Virus beruht; und (ii) die Ausnahme zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. COVInsAG, nach der die Insolvenzantragspflicht nicht ausgesetzt ist, wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, ebenfalls nicht einschlägig ist, weil die Antragstellung allein wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (insbesondere im Fall des § 270b InsO) erfolgte, also noch überhaupt keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Ferner v...