Rn 56a
Im Zuge der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 31.01.2021 bis zum 30.04.2021 wurde auch der § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. e COVInsAG aufgehoben und durch einen neuen – nach den Vorstellungen des Gesetzgebers – weitergehenden Privilegierungstatbestand betreffend Stundungen in der neu eingefügten Nr. 5 ersetzt. Nach Nr. 5 sind Zahlungen auf Forderungen aufgrund von bis zum 28.02.2021 gewährten Stundungen bis zum 31. März 2022 als nicht gläubigerbenachteiligend zu bewerten, womit in einem Folgeinsolvenzverfahren – wie bei der Nr. 2 – sämtliche Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung ausscheiden, weil alle Tatbestände der Insolvenzanfechtung eine Gläubigerbenachteiligung voraussetzen. Die Umstände der Befriedigung gestundeter Forderungen (z.B. Inkongruenz der Deckung oder vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung i.S.v. § 133 InsO) sollen dabei ebenso wenig eine Rolle spielen wie der Schuldgrund der gestundeten Forderung. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, den Schuldner durch Stundungen durch die Phase der COVID-19-Pandemie zu bringen. Zu denken sind insbesondere an die umfangreichen Steuerstundungen des Fiskus und die Stundung von Mietforderungen oder Forderungen aus Lieferung und Leistung.
Rn 56b
Der Umstand, dass der neue Privilegierungstatbestand in eine neue Nr. 5 und nicht an die Stelle der bisherigen Nr. 4 lit. e getreten ist, bewirkt u.a., dass der Ausnahmetatbestand gem. Halbs. 2 der Nr. 4 ("dies gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind") nicht anwendbar ist. Es bleibt aber dabei, dass auch die Privilegierung der Stundungen nach der Nr. 5 eine inzidente Prüfung der Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG erfordert, wobei dort die Geeignetheit der Sanierungsbemühungen objektiv vorliegen muss und es nicht (auch) auf eine positive Kenntnis des anderen Teils ankommt (dazu oben Rdn. 55).
Rn 56c
Ferner setzt der Tatbestand der Nr. 5 von § 2 Abs. 1 COVInsAG in zeitlicher Hinsicht voraus, dass
- nicht bereits vor dem 01.02.2021 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde;
- die Stundung bis zum 28.02.2021 gewährt wurde; und
- die Zahlung auf die gestundete Forderung bis zum 31.03.2022 erfolgt ist.
Rn 56d
Mit Blick auf den aufgehobenen lit. e von § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG war zudem unklar, ob das Privileg auch dann greift, wenn die Zahlungen nach dem Ende des Aussetzungszeitraums erfolgen. Die zeitliche Reichweite der Privilegierung der Zahlungen auf gestundete Forderungen ist nunmehr in der Nr. 5 klar vorgegeben, und zwar reicht sie bis zum 31.03.2022 (s.o. Rdn. 56c).
Rn 56e
Es fällt ferner auf, dass die aufgehobene Nr. 4 lit. e von "Zahlungserleichterungen" sprach und in der Nr. 5 nunmehr der Begriff der "Stundungen" verwendet wird. Die Stundung bewirkt, dass die Fälligkeit bei bestehenbleibender Erfüllbarkeit des Anspruchs hinausgeschoben wird (weshalb z.B. auch kein Verzugszins anfällt). Die Zahlungserleichterungen sind – wie in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO – weit zu verstehen und umfassen sämtliche Anpassungen der Zahlungsmodalitäten. Im Ergebnis sollte indes keine wesentliche Einschränkung des Privilegs mit der unterschiedlichen Begrifflichkeit einhergehen, weil die (teilweise) Stundung rechtstechnisch auch eine ratierliche Zahlungsvereinbarung bewirken kann, d.h. die Ratenzahlungsvereinbarung als eine wesentliche Zahlungserleichterung umfasst bleibt. Auch die Tilgungsaussetzung, die bisher unproblematisch unter den weiten Begriff der Zahlungserleichterung gefasst werden konnte, sollte unverändert von der Nr. 5 umfasst sein.