Rn 28
Der Entwurf vom 29.09.2015 verfolgte das Ziel, den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgehen. Zudem sollten die unter dem geltenden Recht gewährten Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung punktuell neu justiert werden, um übermäßige Belastungen des Geschäftsverkehrs und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermeiden.
Rn 29
Der Entwurf sah unterschiedliche Neuregelungen vor. Im Bereich der Vorsatzanfechtung sollte § 133 neu justiert werden. Die Neuregelung sollte die bisherige Grundstruktur der Vorsatzanfechtung unberührt lassen. Der Entwurf differenzierte aber zwischen Deckungshandlungen (Handlungen, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen) einerseits und sonstigen Rechtshandlungen wie etwa Vermögensverschiebungen andererseits. Bei den Deckungsfällen sollte weiter zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungen unterschieden werden. Für die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen sollte ein deutlich verkürzter Anfechtungszeitraum von vier (anstatt bislang zehn) Jahren gelten. Die Vorsatzanfechtung von kongruenten Deckungen sollte weiter eingeschränkt werden. Anders als bislang sollten diese Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar sein, wenn der Schuldner sie in Kenntnis der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gewährte und der Gläubiger dies erkannt hat. Für die übrigen Fälle (Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen) sollte es keine Änderungen geben. Gesetzliche Klarstellungen sollten zudem dafür sorgen, dass die Handhabung praktisch relevanter Fallgruppen kalkulierbarer würde. So sollte die Bitte des Schuldners um eine verkehrsübliche Zahlungserleichterung für sich genommen nicht zum Anknüpfungspunkt für die Begründung des Anfechtungsanspruches gemacht werden können; das Gleiche sollte im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung für das Bemühen des Gerichtsvollziehers um eine gütliche Erledigung gelten. Auch sollte sich der Rechtsverkehr darauf verlassen können, dass keine Vorsatzanfechtung drohe, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners unterstützt werden sollen oder wenn dem Schuldner mit wertäquivalenten Bargeschäften die Fortführung seines Unternehmens oder die Sicherung seines Lebensbedarfs ermöglicht werden sollte.
Rn 30
Um die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, die in Bezug auf die Anfechtbarkeit der Zahlung von Arbeitsentgelt bestehen, sollte in § 142 klargestellt werden, dass ein grundsätzlich anfechtungsausschließendes Bargeschäft gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Deckungen, die durch Zwangsvollstreckung auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren erlangten Vollstreckungstitels erwirkt worden sind, sollten nach dem Entwurf künftig nur unter den erschwerten Anforderungen des § 130 (also bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) anfechtbar sein. Ziel war es, insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie kleine und mittelständische Unternehmen, die unter Inkaufnahme von Prozess- und Kostenrisiken einen Titel erlangt haben, besser zu schützen. Aus diesem Grunde würde, so der Entwurf, eine Klarstellung für die Privilegierung von Zwangsvollstreckungshandlungen und -befriedigungen in § 131 erfolgen.
Rn 31
Die Anfechtungsansprüche sollten künftig nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder des § 291 BGB verzinst werden. Dadurch sollten bestehende Fehlanreize zu einer schleppenden Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen, die § 143 liefern sollte, beseitigt und der Rechtsverkehr besser vor einer übermäßigen Zinsbelastung geschützt werden.
Rn 32
Der Bundestag hat unter dem 15.01.2016 den Gesetzesentwurf an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie und den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Zuvor hatte es eine – zum Teil kritische – Stellungnahme des Bundesrates am 27.11.2015 gegeben.
Rn 33
In der Sitzung vom 16.02.2017 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz angenommen. Es trat sodann unter dem 05.04.2017 in Kraft.