Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 6
Um den Zeitraum bis zu einer Beschlussfassung durch eine Gläubigerversammlung zu überbrücken, räumt § 100 Abs. 2 dem Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, dem Schuldner Unterhalt zu gewähren. Aus der Gesetzesformulierung ("kann") ergibt sich aber, dass dem Schuldner auch in diesem Stadium kein Anspruch auf Unterhalt gegen die Insolvenzmasse zusteht. Wurde vom Gericht vor der ersten Gläubigerversammlung oder von dieser ein Gläubigerausschuss bestellt, hat der Insolvenzverwalter vor der Erbringung von Unterhaltsleistungen dessen Zustimmung einzuholen. Dies gilt auch, wenn dem Schuldner keine Geld-, sondern Sachleistungen zufließen sollen, wie etwa die Überlassung von Eigentumswohnraum oder Warenbeständen. Ist dagegen kein Gläubigerausschuss bestellt, so bedarf es abweichend von der früheren konkursrechtlichen Regelung keiner Zustimmung des Insolvenzgerichts mehr; vielmehr kann dann der Insolvenzverwalter eigenverantwortlich entscheiden, wodurch eine zusätzliche Entlastung des Gerichts erreicht wird. In diesem Fall kann der Insolvenzverwalter dem Schuldner den notwendigen Unterhalt gewähren. Da dem Schuldner im Insolvenzverfahren kein Unterhaltsanspruch zusteht, ist auch der Insolvenzverwalter nicht zur Gewährung eines Mindestunterhalts, etwa in Höhe der Sozialhilfesätze, verpflichtet.
Rn 7
Aus dem gesetzlichen Begriff des notwendigen Unterhalts ergibt sich nur eine Obergrenze, bis zu der der Verwalter berechtigt ist, Gegenstände der Insolvenzmasse für Unterhaltsleistungen zu verwenden, ohne sich nach § 60 einer Haftung gegenüber den Insolvenzgläubigern wegen pflichtwidriger Masseschmälerung auszusetzen. Dabei umfasst der notwendige Unterhalt das, was zur Erfüllung der notwendigsten Lebensbedürfnisse des Schuldners, also für Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Heizung, unverzichtbar ist (vgl. § 27 Abs. 1 SGB XII, der gleichfalls auf den Begriff des notwendigen Unterhalts abstellt). Nur zur Bestimmung einer Obergrenze empfiehlt es sich für den Verwalter, sich an den durch Verordnungen der Bundesländer gemäß § 28 Abs. 2 SGB XII festgesetzten Regelsätzen zu orientieren. Allerdings decken diese Regelsätze nicht die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (dazu § 29 SGB XII) sowie nicht Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII (§ 28 Abs. 1 SGB XII). Der (angemessene) Bedarf für Unterkunft und Heizung sowie etwaige Sonderbedarfe würden auch die durch die Sozialhilfesätze markierte Obergrenze für § 100 Abs. 2 entsprechend erhöhen. Vor einem entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung darf der Insolvenzverwalter höchstens den nach den vorstehenden Grundsätzen bemessenen Unterhalt gewähren, um eine unnötige Masseschmälerung zu Lasten der Insolvenzgläubiger zu vermeiden. Dagegen kann die Gläubigerversammlung andere und höhere Leistungen zugunsten des Schuldners beschließen.
Rn 8
In diesen Grenzen kann der Verwalter auch minderjährigen unverheirateten Kindern des Schuldners, dessen Ehegatten bzw. früheren Ehegatten, dessen Lebenspartner bzw. früheren Lebenspartner sowie dem anderen Elternteil eines Kindes Unterhalt gewähren, jedoch nur, soweit auch eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Schuldners gegenüber diesem Personenkreis besteht. Die Voraussetzung einer bestehenden Unterhaltspflicht lässt sich zum einen aus dem gesetzlichen Hinweis auf die §§ 1615l, 1615n BGB entnehmen und ergibt sich zum anderen aus der Gesetzesbegründung. Dort wird darauf abgestellt, dass der in § 100 Abs. 2 Satz 2 abschließend aufgezählte Personenkreis vom Schuldner nach den allgemeinen Vorschriften entsprechenden Unterhalt beanspruchen kann. Die Begründung verweist insoweit auf § 850d Abs. 2 Buchst. a ZPO; § 1609, § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB, aus denen sich eine besondere unterhaltsrechtliche Schutzwürdigkeit dieses Personenkreises ergibt. Dagegen kann die Gläubigerversammlung im Gegensatz zum Insolvenzverwalter wiederum nach Abs. 1 auch eine Unterhaltsgewährung an einen gegenüber Abs. 2 Satz 2 erweiterten Personenkreis beschließen, auch wenn dies nur selten der Fall sein dürfte.