Rn 103
Lehnt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung ab, erklärt er sich nach entsprechender Aufforderung durch den Vertragspartner gar nicht oder nicht rechtzeitig, d.h. unverzüglich zur Erfüllungswahl, verliert er die Möglichkeit, weiter auf der Erfüllung des Vertrages zu bestehen. Weitere ausdrücklich geregelte Folge ist die Möglichkeit für den Vertragspartner des Insolvenzschuldners, aufgrund der Nichtdurchführung des Vertrages eine Forderung wegen Nichterfüllung als Insolvenzforderung geltend zu machen.
Rn 104
Solange weder der Insolvenzverwalter noch der Vertragspartner ggf. konkludente Erklärungen abgeben, verbleibt es bei dem durch Insolvenzeröffnung eingetretenen Schwebezustand, wonach die jeweiligen Vertragspflichten nicht mehr durchsetzbar sind, da wechselseitig die Einreden der §§ 320 ff. BGB erhoben werden können. In der Anmeldung einer Forderung wegen Nichterfüllung zur Aufnahme in die Insolvenztabelle ist zwar nicht eine konkludente Aufforderung an den Insolvenzverwalter i.S.d. § 103 Abs. 2 Satz 2 zu sehen, die für den Verwalter die Obliegenheit auslösen kann, sich unverzüglich zur Erfüllungswahl zu erklären. Jedoch ist eine Erklärung des Insolvenzverwalters im Prüfungstermin, dass er die zur Tabelle angemeldete Forderung wegen Nichterfüllung zumindest zum Teil anerkennt, als eine konkludente Erfüllungsablehnung zu qualifizieren.
Rn 105
Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Wirkung der Verfahrenseröffnung auf Verträge die dem Regelungsbereich des § 103 unterfallen, wonach die beiderseitigen Erfüllungsansprüche zunächst erlöschen und mit Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter wieder neu begründet werden sollten, kommt der ausdrücklichen Erklärung des Insolvenzverwalters oder dieser gleichzusetzende Verhaltensweisen, die Erfüllung abzulehnen, keine Gestaltungswirkung zu. Es wird lediglich der durch Verfahrenseröffnung bereits eingetretene Rechtszustand deklaratorisch bestätigt.
Rn 106
Nach dem Urteil des BGH vom 25.4.2002 ist klargestellt, das die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung bewirkt, sondern diese zunächst nur ihre Durchsetzbarkeit verlieren, soweit sie nicht auf die Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Auch insoweit führt die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters nicht zu einer Veränderung der durch Verfahrenseröffnung entstandenen Rechtslage, wohl aber zur Klarstellung, dass der Vertragspartner wegen der noch ausstehenden Leistungen nur noch eine Forderung wegen der Nichterfüllung als Insolvenzgläubiger geltend machen, d.h. also beim Insolvenzverwalter zur Aufnahme in die Insolvenztabelle anmelden kann.
Rn 107
Nach dem neueren Verständnis der Wirkung der Verfahrenseröffnung auf die Erfüllungsansprüche kann erst die Geltendmachung bzw. Anmeldung einer Forderung wegen Nichterfüllung zur Umgestaltung des Vertragsverhältnisses in ein einseitiges Abrechnungsverhältnis führen, da bei beiderseitiger Untätigkeit von Insolvenzverwalter und Vertragspartner der mit Verfahrenseröffnung eingetretene Schwebezustand erhalten bleibt und der Vertragspartner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ggf. wieder die Vertragserfüllung verlangen kann.
Rn 108
Die in § 103 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich genannte Forderung wegen Nichterfüllung ist nach bislang überwiegender Auffassung als Schadensersatzanspruch zu qualifizieren, nach anderer Ansicht als ein spezifisch insolvenzrechtlicher Ausgleichsanspruch mit einer Ausdehnung des Rechtsgedankens des § 45 auf die wechselseitigen Ansprüche, für dessen Berechnung der Wert der beiderseits noch unerfüllten Leistungspflichten saldiert wird.
Rn 109
Relevant wird die unterschiedliche dogmatische Einordnung des Anspruches für die Frage, ob der Vertragspartner in das Abrechnungsverhältnis auch einen Anspruch auf entgangenen Gewinn einstellen kann, § 252 BGB. Während dies konsequenter Weise zu bejahen ist, wenn man von einer Qualifizierung als Schadensersatzanspruch ausgeht, wonach der Vertragspartner des Schuldners so zu stellen ist, als sei der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden, wird dies auf der Grundlage der Einordnung der Forderung als insolvenzrechtlicher Wertausgleichungsanspruch abgelehnt.
Rn 110
Im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur Wirkung der Verfahrenseröffnung auf gegenseitige, beiderseits zumindest teilweise unerfüllter Verträge und der Erfüllungswahl ergeben sich für die Ansprüche des Vertragspartners des Insolvenzschuldners Differenzierungen, die auch für die dogmatische Einordnung der Forderung wegen Nichterfüllung i.S.d. § 103 eine insolvenzspezifische Betrachtungsweise nahe legen.
Rn 111
Dient das Abrechnungsverhältnis, das durch Geltendmachung der Forderung wegen Nichterfüllung entstanden ist, der Ermittlung des Wertes der im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch unerfüllten Leistungen, ...