Rn 1
Die Vorschrift sieht ebenso wie das frühere Recht der KO (vgl. insbesondere §§ 19–22 KO) Ausnahmen von dem Grundsatz des Wahlrechts des Insolvenzverwalters vor. Für den Bestand bestimmter Schuldverhältnisse hat die Verfahrenseröffnung keine unmittelbare Auswirkung. Das für gegenseitige, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllte Verträge grundsätzlich bestehende Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 gilt u.a. für die in § 108 Abs. 1 und Abs. 2 genannten Verträge und diesen gleich zu behandelnde Vertragsverhältnisse nicht, da diese mit Wirkung für die Insolvenzmasse zunächst fortgelten.
Mit Wirkung ab 1.7.2007 wurde mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens die Überschrift der Bestimmung neu gefasst und ein neuer Abs. 2 eingeführt; der bisherige Abs. 2 wurde zu Abs. 3.
Rn 2
An die Stelle des Rechts des Verwalters, die infolge Verfahrenseröffnung wechselseitig zunächst nicht mehr durchsetzbaren Leistungspflichten durch Erfüllungswahl gemäß § 103 als originäre Pflichten und Ansprüche der Insolvenzmasse wieder neu entstehen zu lassen, treten zum Teil besonders geregelte Kündigungs- und Rücktrittsrechte, die eine kurzfristige Beendigung dieser Rechtsverhältnisse insbesondere für den Insolvenzverwalter ermöglichen sollen.
Rn 3
Nach der Intention des Gesetzgebers soll durch die Regelung des Abs. 2 n.F. eine höchstrichterlich bislang ungeklärte Streitfrage geklärt werden. Es geht um die Anwendbarkeit des § 103 auf Darlehensverträge in der Insolvenz des Darlehensgebers, sofern im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung das Darlehen bereits ausgereicht worden war (vgl. § 103 Rn. 52). Zum Teil wird eine Anwendbarkeit des § 103 auch für den Fall der Vollvalutierung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bejaht, da zu den Pfllichten des Darlehensgebers nicht nur die Überlassung, sondern auch die Belassung gehört. Durch die ausdrückliche Regelung in Abs. 2 n.F. wird dieser Auffassung entgegen getreten und klargestellt, dass in der Insolvenz des Darlehensgebers der Insolvenzverwalter kein Wahlrecht hat, wenn und soweit der Gegenstand des Darlehensvertrags dem Darlehensnehmer vor Insolvenzeröffnung bereits zur Verfügung gestellt worden ist. Hier bleibt der Insolvenzverwalter an die vertraglichen Abreden gebunden. Auch besteht keine Möglichkeit zu einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags aufgrund abgekürzter Kündigungsfristen. Damit soll insbesondere für Insolvenzen von Kreditinstituten vermieden werden, dass Darlehensnehmer aufgrund abgekürzter Laufzeiten von Darlehensverträgen selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
Rn 4
Abs. 3 bestätigt den bereits zum bisher geltenden Recht bestehenden Grundsatz, dass Ansprüche aus den Schuldverhältnissen, die aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen, lediglich Insolvenzforderungen sind, wobei dieser Grundsatz durch § 55 Abs. 2 Satz 2 eine Einschränkung erfährt.