Rn 9
§ 113 gilt für alle Arten von Dienstverhältnissen i.S.d. §§ 611, 611a, 621, 622 BGB. Erfasst werden sämtliche auf eine fortgesetzte Dienstleistung gerichteten Dauerschuldverhältnisse.
2.2.1.1 Arbeitsverhältnisse
Rn 10
§ 113 findet damit zunächst auf Arbeitsverhältnisse (§ 611a BGB) Anwendung. Ob es sich um "normale" Arbeitnehmer oder leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG handelt, spielt keine Rolle. Ebenso wenig kommt es auf die Dauer oder Art des Arbeitsverhältnisses an. Insofern können sowohl unbefristete als auch befristete Arbeitsverträge durch den Insolvenzverwalter mit der Frist des § 113 Satz 2 gekündigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien das Recht zur ordentlichen Kündigung nicht wirksam gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG vereinbart haben. Die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses spielt für § 113 keine Rolle. Dementsprechend kommt die Norm auch für Teilzeitarbeitsverhältnisse und für Arbeitsverhältnisse, die auf Abruf i.S.d. § 12 TzBfG oder durch Nutzer einer Online-Plattform ("Crowdworker") erfüllt werden, zur Anwendung. Soweit das Arbeitsverhältnis deutschem Recht unterliegt, greift § 113 auch dann, wenn das Insolvenzverfahren in einem anderen Land der EU – mit Ausnahme Dänemarks – eröffnet worden ist (Art. 10 EuInsVO).
Rn 11
Ob der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits angetreten hat, ist für die Anwendbarkeit von § 113 ohne Belang. Während § 22 KO eine derartige Einschränkung noch vorsah, setzt § 113 lediglich den Bestand eines Dienstverhältnisses voraus. Auch nicht in Vollzug gesetzte Arbeitsverhältnisse können daher durch den Insolvenzverwalter gemäß § 113 gekündigt werden. Ein Wahlrecht nach § 103 besteht insoweit – anders als in § 17 KO normiert – nicht mehr. Dabei beginnt die Kündigungsfrist bereits mit Zugang der Kündigungserklärung. Nach der Gegenauffassung, die den Lauf der Kündigungsfrist erst nach Dienstantritt annimmt, würde § 113 letztlich eine Mindestvertragslaufzeit gewährleisten. Dem steht entgegen, dass ein Arbeitsverhältnis vor Dienstantritt keine stärkere Bindungswirkung als ein bereits in Vollzug gesetztes Arbeitsverhältnis entfalten kann.
2.2.1.2 Altersteilzeitarbeitsverhältnisse
Rn 12
Ebenso findet § 113 grundsätzlich auch auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Anwendung. Denn bei einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis handelt es sich lediglich um eine Sonderform des befristeten Arbeitsverhältnisses.
Rn 13
Die Kündigungserleichterungen des § 113 gelten dabei auch für den Fall, dass mit dem Arbeitnehmer Blockaltersteilzeit vereinbart worden ist, soweit sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch in der Arbeitsphase befindet. Hiervon ist nach der Rechtsprechung sogar dann auszugehen, wenn zwischen Kündigungstermin und Beginn der Freistellungsphase nur noch ein Monat Arbeitsphase liegt. Die mit der Einsparung der Vergütung sowie der Aufstockungsbeträge und der Rentenversicherungsbeiträge verbundene Entlastung der Insolvenzmasse überwiegt das Interesse des in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmers an der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses. Andernfalls würden Arbeitnehmer in Altersteilzeit in massereichen Insolvenzverfahren gegenüber allen anderen Arbeitnehmern bevorzugt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund bestünde.
Rn 14
Umgekehrt kommt eine Kündigung und damit auch ein Eingreifen von § 113 regelmäßig nicht mehr in Betracht, wenn sich der Arbeitnehmer bereits in der Freistellungsphase befindet. Dies gilt jedenfalls für den Fall betriebsbedingter oder personenbedingter Kündigungen. Der Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. die fehlende persönliche Eignung des Arbeitnehmers zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung hat für das Arbeitsverhältnis eines in der Freistellungsphase der Blockaltersteilzeit befindlichen Arbeitnehmers keine Bedeutung mehr. Das Fehlen hinreichender finanzieller Mittel allein kann den Arbeitgeber nicht entlasten. Doch auch eine verhaltensbedingte Kündigung wird in der Freistellungsphase nur ausnahmsweise möglich sein, wenn dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz nicht zu erbringender Arbeitsleistung nicht mehr zumutbar ist. Dies wird regelmäßig nur bei gravierenden Pflichtverletzungen anzunehmen sein (z.B. strafbare Handlungen gegen den Arbeitgeber). Im Insolvenzfall käme dann auch § 113 zur Anwendung.