Rn 27
§ 127 Abs. 2 verhindert, dass im Kündigungsschutzverfahren ein Urteil ergeht, bevor das Verfahren nach § 126 abgeschlossen ist. Allerdings verdrängt § 127 Abs. 2 nicht § 148 ZPO, sodass eine Aussetzung des Kündigungsrechtsstreits nach § 148 ZPO erfolgen kann, sollten die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 127 Abs. 2 nicht erfüllt sein.
Rn 28
Ist eine Aussetzung des Kündigungsschutzprozesses nicht erfolgt, der Insolvenzverwalter dort unterlegen und obsiegt er später im Verfahren nach § 126, kann er nicht mittels der Restitutionsklage (§ 580 Nr. 6 ZPO) die Aufhebung des im Kündigungsrechtsstreits ergangenen Urteils erreichen. Denn § 580 Nr. 6 ZPO setzt voraus, dass ein Urteil, auf das das im Kündigungsschutzprozess ergangene Urteil gegründet war, aufgehoben wird. Das im Kündigungsrechtsstreit erlassene Urteil war aber nicht auf den Beschluss nach § 126 gegründet, weil jener Beschluss bei Erlass des Urteils noch gar nicht existent war (zum umgekehrten Fall, dass sich nach Abschluss des Kündigungsschutzprozesses die Tatsachen verändern, die für das Verfahren nach § 126 entscheidungserheblich gewesen sind, siehe oben Rn. 16 ff.).
3.1 Voraussetzungen der Aussetzung
Rn 29
Das mit dem Kündigungsschutzprozess befasste Gericht hat, anders als bei § 148 ZPO, hinsichtlich der Frage, ob es den Rechtsstreit aussetzt, kein Ermessen (vgl. den Wortlaut des § 127 Abs. 2 InsO: "ist auszusetzen"). Der Kündigungsschutzprozess muss zwingend ausgesetzt werden, wenn die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind:
3.1.1 Kündigungsschutzprozess
Rn 30
Dem Prozess, der ausgesetzt werden soll, muss eine Klage des Arbeitnehmers gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst oder die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, zugrunde liegen. Dieser Prozess darf nicht bereits vor Erlass der Entscheidung, die im Verfahren nach § 126 ergehen wird, offensichtlich entscheidungsreif sein. Im Einzelnen gilt Folgendes:
3.1.1.1 Kündigung nicht offensichtlich wirksam
Rn 31
Der Kündigungsschutzprozess, der ausgesetzt werden soll, darf nicht offensichtlich aussichtslos sein. Offensichtlich aussichtslos ist er, wenn die Kündigung offensichtlich wirksam ist. Dies ist der Fall, wenn der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt hat und seine Klage auch nicht nach § 5 KSchG nachträglich zugelassen werden kann. Denn in diesem Fall gilt die Kündigung nach § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an wirksam, sodass das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess nicht mehr prüfen darf, ob sie nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist. In solch einem Fall hat der Ausgang des Verfahrens nach § 126 für den Kündigungsrechtsstreit keine Bedeutung. Der Normzweck des § 126, in einem "Sammelverfahren" gebündelt über die soziale Rechtfertigung einer Vielzahl von Kündigungen zu entscheiden (§ 126 Rn. 1), kann für diesen einen Kündigungsschutzprozess nicht mehr erreicht werden, weil die Kündigungsschutzklage unabhängig von der Frage der sozialen Rechtfertigung abweisungsreif ist. Ein Bedürfnis für eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 127 Abs. 2 besteht nicht, sodass eine Aussetzung nicht erfolgen darf. Wegen des Beschleunigungsgrundsatzes (§§ 9 Abs. 1, 61a ArbGG) ist eine solche Kündigungsschutzklage vielmehr abzuweisen. Lässt auf die Berufung des Arbeitnehmers das Landesarbeitsgericht die verspätete Kündigungsschutzklage zu (§ 5 Abs. 5 KSchG), hat es nach Erlass dieses Beschlusses den Rechtsstreit gemäß § 127 Abs. 2 auszusetzen, sofern die übrigen Voraussetzungen einer Aussetzung erfüllt sind.
3.1.1.2 Kündigung nicht offensichtlich unwirksam
Rn 32
Aus den in Rn. 31 genannten Gründen darf die Kündigung auch nicht offensichtlich unwirksam sein. Offensichtlich unwirksam ist sie etwa, wenn der klagende Arbeitnehmer schwerbehindert ist und die Kündigung ohne die nach § 168 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt ist. In diesem Fall steht von vornherein fest, dass die Kündigungsschutzklage Erfolg haben wird, unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens nach § 126. Denn auf die Frage, ob die Kündigung nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, kommt es nicht mehr an, weil die Kündigung bereits aus einem anderen Grund unheilbar unwirksam ist. Da die in dem Verfahren nach § 126 zu treffenden Feststellungen für den Kündigungsrechtsstreit keine Bedeutung h...