1.1 Bedeutung von Gesellschafterhilfen in der Praxis
Rn 1
Gesellschafterdarlehen (oder gleichstehende Leistungen des Gesellschafters) an die Gesellschaft sind in der Praxis häufig anzutreffen. Der Grund hierfür liegt insbesondere darin, dass sich derartige Zuwendungen wesentlich einfacher und schneller realisieren lassen als eine Kapitalerhöhung. Darüber hinaus können – etwa als Darlehen bezeichnete – Zuwendungen anders als Eigenkapital vergleichsweise leicht wieder abgezogen werden. Derartige Formen der Finanzierung der Gesellschaft sind keinesfalls verboten. Vielmehr stellen sie – grundsätzlich – eine gleichwertige und insbesondere auch zulässige Alternative zur Finanzierung der Gesellschaft mit Eigenkapital dar (Grundsatz der Finanzierungsfreiheit).
1.2 Normzweck der Regeln zum Kapitalersatzrecht
Rn 2
Der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters, über die Art und Weise der Finanzausstattung der Gesellschaft zu befinden, sind durch die Regeln zum Kapitalersatzrecht Grenzen gezogen. Welcher Normzweck sich hinter diesen Regeln verbirgt, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Ganz überwiegend wird dieser aber im Schutz der Gläubiger gesehen. Das Kapitalersatzrecht soll – so die h.M. – verhindern, dass der Gesellschafter die mit einer (unzureichenden) Fremdfinanzierung verbundenen negativen Folgen auf die Gläubigergesamtheit abwälzt. Die Zuführung von Gesellschafterkrediten darf – mit anderen Worten – nicht dazu führen, dass in der Krise der Gesellschaft das unternehmerische Risiko auf die Gesellschaftsgläubiger verlagert wird. Schlagwortartig umschrieben wird der Normzweck auch mit dem Begriff der "Finanzierungsfolgenverantwortung". Letzterer ist freilich zunächst inhaltsleer und bedarf der Konkretisierung. Damit stellt sich die Frage, welche Gefahren mit einer Krisenfinanzierung für die Gläubiger verbunden sind, die es mit Hilfe einer "besonderen Verantwortung" des Gesellschafters auszugleichen gilt.
Rn 3
Ganz überwiegend wird der Gesellschafterfremdfinanzierung ein ganzes Bündel von gläubigerbenachteiligenden Wirkungen nachgesagt. So wird behauptet, dass der Kredit in der Krise den Grundstein für eine Gläubigergefährdung legt; denn der ausgereichte Kredit ermöglicht der Gesellschaft, ihren wirtschaftlichen Aktionsradius zu vergrößern bzw. aufrechtzuerhalten, wo sie dies aus eigener Kraft nicht kann. Die Gesellschaft wird dadurch in die Lage versetzt, neue Verbindlichkeiten zu begründen mit der Folge, dass weitere Gläubiger mit dem schuldnerischen Insolvenzrisiko belastet werden. Als weitere negative Folge der Krisenfinanzierung wird immer wieder auch die Verschärfung des Verteilungskonflikts unter den Gläubigern genannt; denn gewährt der Gesellschafter Fremd- statt Eigenkapital, so kommt auch ihm die Haftungsfunktion des Gesellschaftsvermögens zugute. Eng hiermit im Zusammenhang steht der Hinweis, dass eine unzureichende Krisenfinanzierung in aller Regel zur Insolvenzverschleppung führt mit der Folge, dass vorhandenes Vermögen verbraucht, weitere Gläubiger hinzukommen und sich die Befriedigungsaussichten für die Gläubigergesamtheit hierdurch insgesamt verschlechtern. Schließlich wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Gesellschafterkredit dazu beiträgt, Dritte über das von ihnen eingegangene Risiko zu täuschen; denn ein der Gesellschaft gewährter Kredit – so wird behauptet – ist geeignet, bei Dritten den Anschein zu erwecken, dass die Gesellschaft wirtschaftlich gesund bzw. kreditwürdig und damit aus eigener Kraft lebensfähig ist.
1.3 Die Rechtsquellen zum Kapitalersatzrecht
Rn 4
Bis 1980 hatte das Kapitalersatzrecht keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Die ältere Rechtsprechung hatte dieses zunächst noch in § 826 BGB verortet, sodann aber – in ständiger Rechtsprechung – auf eine analoge Anwendung der §§ 30 f. GmbHG gestützt (Rechtsprechungsregeln). Mit der GmbH-Novelle von 1980 hat der Gesetzgeber sodann versucht, die bisherige Rechtsprechung in Form der §§ 32a, 32bGmbHG, § 3b AnfG, § 32a KO §...