1.4.1 Tatbestand und Rechtsfolgen
Rn 5
§ 135 InsO knüpft – wie alle anderen Rechtsquellen zum Kapitalersatzrecht auch – an einen einheitlichen Tatbestand an. Hinsichtlich der Frage also, unter welchen Voraussetzungen einer Gesellschafterleistung eigenkapitalersetzende Funktion zukommt, gibt es zwischen den verschiedenen Rechtsquellen keine Unterschiede. In Bezug auf die Rechtsfolgen besteht ebenfalls im Grundsatz Gleichlauf; denn sowohl § 135 InsO als auch die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG bezwecken, die Gesellschafterleistung einer Vermögensbindung zu unterwerfen, um das Ausfallrisiko der Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft zu reduzieren. § 135 erreicht dieses Ziel jedoch – anders als die Rechtsprechungsregeln – durch Gewährung eines Anfechtungsrechts zugunsten des Insolvenzverwalters. Anfechtbar gestellt ist dabei nicht nur die Rückgewähr selbst (§ 135 Nr. 2), sondern auch eine solche Rechtshandlung, durch die der Anspruch auf Rückgewähr gesichert wird (§ 135 Nr. 1), um eine Masseminderung durch ansonsten dem Kreditgeber zustehende Aus– oder Absonderungsrechte zu unterbinden bzw. etwaige bereits erfolgte Befriedigungsmaßnahmen aus in derartig anfechtbarer Weise erlangten Sicherungen rückabzuwickeln. Neben diesem – eher rechtstechnischen – Unterschied weicht § 135 aber auch inhaltlich in einigen Punkten von den Rechtsprechungsregeln ab.
Rn 6
So setzt etwa der Rückgewähranspruch nach §§ 135, 143 InsO die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft voraus. Nach §§ 30, 31 GmbHG (analog) kann hingegen die Rückgewähr der kapitalersetzenden Leistung auch unabhängig hiervon begehrt werden. Des Weiteren sieht § 135 InsO vor, dass eine Anfechtung wegen Befriedigung eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen nur innerhalb der Jahresfrist möglich ist. Zudem verjährt der Anspruch nach § 146 InsO in 2 Jahren. Der Rückgewähranspruch entsprechend § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 1 GmbHG kann hingegen auch für länger zurückliegende Zeiträume geltend gemacht werden. Darüber hinaus verjährt der Anspruch entsprechend § 31 Abs. 5 GmbHG in 5 Jahren. Schließlich sind mit der entsprechenden Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auch bestimmte "Nebenfolgen" – wie etwa die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter analog § 31 Abs. 3 GmbHG oder die Geschäftsführerhaftung entsprechend § 43 Abs. 3, § 30 GmbHG – verbunden, die dem § 135 InsO unbekannt sind. Weiter gefasst ist § 135 InsO gegenüber den Rechtsprechungsregeln insofern, als die Vorschrift keine Unterbilanz im Zeitpunkt der Rückzahlung der Gesellschafterleistung voraussetzt. Da sich jedoch der zeitliche Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts weitgehend mit den Insolvenzauslösetatbeständen deckt, fällt dieser Unterschied nicht sonderlich ins Gewicht. Schließlich enthält § 135 InsO – anders als § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 GmbHG – h.M. nach eine Darlegungs– und Beweiserleichterung zugunsten des Insolvenzverwalters (siehe unten Rn. 57).
Rn 7
Insgesamt gesehen werden – ganz überwiegend – die Rechtsprechungsregeln gegenüber den Novellenregelungen als "gläubigerfreundlicher" empfunden. Das erklärt auch, warum in der Praxis der Schwerpunkt der Rechtsanwendung im Kapitalersatzrecht auf der analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG liegt. Dies ändert aber nichts daran, dass im Falle eines Insolvenzverfahrens sämtliche Vorschriften nebeneinander anwendbar und die sich daraus ergebenden Ansprüche vom Verwalter geltend zu machen sind.
1.4.2 Verfahrensrecht
Rn 8
Besteht zwischen der analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG und § 135 InsO ein weitgehender Gleichlauf, stellt sich die Frage, ob beide Anspruchsgrundlagen prozessual einen einheitlichen Streitgegenstand bilden. Da das Klageziel identisch ist, kommt es letztlich auf den angegebenen Sachverhalt an. Soweit – wie in der Regel – der für die eine Anspruchsgrundlage vorgetragene Sachverhalt zugleich auch das Eingreifen der ande...