3.1 Der Grundtatbestand
Rn 15
§ 135 setzt zunächst voraus, dass der Gesellschafter der Gesellschaft eine "Hilfe" gewährt, die eigenkapitalersetzenden Charakter hat, d.h. der Vermögensbindung zugunsten der Gläubigergesamtheit unterworfen ist.
Der Eintritt der Vermögensbindung ist wiederum an vier Voraussetzungen geknüpft. Danach muss der persönliche, der sachliche sowie der zeitliche Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts eröffnet sein. Darüber hinaus muss der Gesellschafter eine Finanzierungsentscheidung getroffen haben. Die nachfolgende Darstellung dieser Tatbestandsvoraussetzungen orientiert sich an dem für die Praxis bedeutsamsten Fall, nämlich der GmbH.
3.1.1 Der persönliche Anwendungsbereich
Rn 16
Die Finanzierungsfolgenverantwortung knüpft grundsätzlich an der formalen Eigenschaft des Kreditgebers als (GmbH-)Gesellschafter an. Aus welchen Motiven der Gesellschafter seine Hilfe gewährt hat, ist grundsätzlich ebenso wenig von Belang wie die Frage, welche Zwecke der Gesellschafter mit seiner Gesellschaftsbeteiligung verfolgt. Erfasst wird daher beispielsweise auch ein Gesellschafter, der den Gesellschaftsanteil treuhänderisch oder als Strohmann hält, bzw. ein Gesellschafter, der institutioneller Kreditgeber ist. Zur Freistellung nach § 32a Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 GmbHG siehe unten Rn. 26, 39.
3.1.2 Der sachliche Anwendungsbereich
Rn 17
Zu den von § 135 ausdrücklich erfassten Gesellschafterleistungen zählt das Darlehen. Kennzeichnend hierfür ist – ebenso wie nach § 32a Abs. 1 GmbHG –, dass der Gläubiger dem Schuldner aufgrund eines Vertrags einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung stellt und der Schuldner verpflichtet ist, die geschuldete Leistung bei Fälligkeit zurückzuerstatten und den geschuldeten Zins zu bezahlen (§ 488 BGB). Erfasst werden vom Darlehensbegriff aber auch die Sachdarlehen (§ 607 BGB). Im Grundsatz geht § 135 – ebenso wie § 32a Abs. 1 GmbHG – davon aus, dass Gläubiger- und Gesellschafterstellung in einer Hand liegen. Ganz h.M. nach ist der sachliche Anwendungsbereich aber auch dann eröffnet, wenn der Gesellschafter Hilfs- bzw. Strohmänner dazwischenschaltet, die die Darlehensvaluta auf sein Geheiß oder für seine Rechnung an die Gesellschaft weiterleiten. Zu Erweiterungen des sachlichen Anwendungsbereichs siehe unten Rn. 32 ff.
3.1.3 Der zeitliche Anwendungsbereich
Rn 18
In zeitlicher Hinsicht setzt das Kapitalersatzrecht voraus, dass der Gesellschafter die Hilfe in der "Krise der Gesellschaft" gewährt (§ 32a Abs. 1 GmbHG). Das Gesetz definiert diesen Zeitpunkt nicht näher. Die ganz h.M. setzt den Krisenbegriff mit der so genannten Kreditunwürdigkeit gleich. Letztere umschreibt ein wirtschaftliches Stadium, in dem die Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhält und die Gesellschaft aufgrund ihres Liquiditätsbedarfs ohne die Kapitalzufuhr an sich liquidiert werden müsste. Unterstellt werden kann die Kreditunwürdigkeit immer dann, wenn die Gesellschaft überschuldet (§ 19 InsO) oder aber zahlungsunfähig (§ 17 InsO) ist. Ob Gleiches auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit gilt, ist bislang nicht geklärt. Ganz überwiegender Ansicht nach umfasst das Stadium der Kreditunwürdigkeit auch ein der Insolvenzreife vorgelagertes Krisenstadium der Gesellschaft. Die Abgrenzung der Insolvenzreife (insbesondere der Überschuldung) von der Kreditunwürdigkeit bereitet jedoch größte Schwierigkeiten. Dies galt schon bislang im Rahmen des von der h.M. vertretenen modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs. Dies gilt aber umso mehr für den neuen Überschuldungsbegriff, der nach der gesetzgeberischen Konzeption zu einer Vorverlagerung der Insolvenzauslösung geführt hat.
Rn 19
Unabhängig von den Insolvenzauslösetatbeständen kann die Kredit(un)würdigkeit h.M. nach auch anhand bestimmter Indizien nachgewiesen werden. Besondere Bedeutung kommt dabei einer konkreten Kreditentscheidung eines objektiven (informierten) Dritten zu. Stellt ein solcher Dritte der Gesellschaft im maßgebenden Zeitpunkt ein Darlehen zu marktüblichen Konditionen zur Verfügung, erweitert er den Kreditrahmen oder stellt er Kredite nicht fällig, so ist dies ein starkes Indiz für die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Gleiches gilt, wenn die von der Hausbank gewährte Kreditlinie noch nicht ausgeschöpft ist. Verweigert der (informierte) Dritte dagegen eine Finanzierungshilfe zu "markt...