Rn 23
Grundsätzlich treten die von einer Fremdfinanzierung ausgehenden Nachteile für die Gläubigergesamtheit (siehe oben Rn. 3) unabhängig davon ein, ob das Darlehen der Gesellschaft – im konkreten Fall – von einem Gesellschafter oder aber von einem gesellschaftsfremden Dritten gewährt wurde. Das Gesellschafterdarlehen ist daher per se nicht "gefährlicher" als irgendein Drittdarlehen. Wenn dem aber so ist, dann bedarf eine Finanzierungsfolgenverantwortung, die allein dem Gesellschafter obliegt einer besonderen Rechtfertigung. Diese wird vielfach gesehen in dem (potentiellen) unternehmerischen Einfluss des die Hilfe gewährenden Gesellschafters auf die Geschicke der Gesellschaft, dem Informationsvorsprung des Gesellschafters gegenüber außenstehenden Gläubigern sowie der Zwitterstellung (bzw. dem widersprüchliche Verhalten) des darleihenden Gesellschafters, nämlich zum einen Gesellschafter zu sein und zum anderen der Gesellschaft wie ein außenstehender Gläubiger gegenüberzutreten.
Rn 24
Wie diese verschiedenen Kriterien sich zueinander verhalten, ist wenig gesichert. Letztlich können dem Gesellschafter die negativen Folgen seiner Kreditierung nur vorwerfbar sein, wenn dieser die Rolle eines außenstehenden Kreditgebers (deutlich) verlässt, es also widersprüchlich wäre, ihn auf seine Stellung als Fremdkapitalgeber zu reduzieren. Dies ist dann der Fall, wenn zum einen der Gesellschafter aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung einen Informationsvorsprung hat, d.h. anders als die außenstehenden Gläubiger um die wirtschaftliche Schieflage der Gesellschaft weiß, und zum anderen dieses Wissen zum Nachteil der Gläubigergesamtheit im Rahmen seiner Finanzierungsentscheidung ausnutzt. Letzteres trifft etwa dann zu, wenn der Gesellschafter eine vergleichsweise geringe Fortführungschance der kriselnden Gesellschaft ergreift, um sich die mit seiner Gesellschafterstellung verbundenen Vorteile zu erhalten. Misslingt dann der Sanierungsversuch, stellen sich die Gesellschaftsgläubiger in aller Regel schlechter als vorher. Hier spekuliert der Gesellschafter also auf Kosten der (unwissenden) Gläubiger, die – hätten sie denselben Informationsstand – ihre Außenstände augenblicklich eingezogen und damit die Gesellschaft in den Zusammenbruch geführt hätten. Letztlich nimmt der Gesellschafter – wirtschaftlich besehen – seinen Sanierungsversuch auf dem Rücken der übrigen Gläubiger vor, anstatt auf ein geordnetes (die Interessen aller Gläubiger angemessen berücksichtigendes) Liquidationsverfahren hinzuwirken. Mithin liegt also der Grund für einen besonderen Verantwortungsbeitrag des Gesellschafters in dem Ausnutzen einer gesellschaftsrechtlichen Insiderstellung in der Krise der Gesellschaft.