4.1 Allgemeines
Rn 73
Im Regelfall gilt eine Rechtshandlung erst dann als vorgenommen, wenn ihre rechtlichen Wirkungen eingetreten sind (§ 140 Abs. 1). Die Ausnahmeregelung des § 140 Abs. 3 stellt klar, dass bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen (§§ 158 ff. BGB) der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht bleibt. Maßgebender Zeitpunkt ist dann der Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände. Dadurch wird der anfechtungsrechtlich relevante Zeitpunkt vorverlagert. Der maßgebliche Zeitpunkt bestimmt sich nach Abs. 1 mit der Besonderheit, dass die Rechtshandlung so behandelt wird, als wäre sie unbedingt oder unbefristet. Damit wird der schon in den §§ 161, 163 BGB, §§ 41, 42, 191 InsO enthaltene Rechtsgedanke, dass bedingte oder befristete Forderungen schon vor Eintritt der Bedingung oder des Termins geltend gemacht werden können bzw. der Eigentumsvorbehaltskäufer nach § 107 eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, auch für den Bereich der Insolvenzanfechtung konsequent fortentwickelt. Dies ist insofern konsequent als bedingte oder befristete Rechtsgeschäfte dem Gläubiger wegen § 161 Abs. 1 und 2, § 163 BGB bereits mit ihrer Begründung eine gesicherte Rechtsposition vermitteln.
4.2 Normzweck
Rn 74
Die Regelung des § 140 Abs. 3 wurde aus Gründen der Konvergenz geschaffen, weil auch bedingte und befristete Forderungen im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§§ 41, 42, 191). Zugleich verstärkt die Norm den Schutz bedingter Rechtspositionen.
4.3 Anwendungsbereich
Rn 75
§ 161 Abs. 1 und 2, § 163 BGB schützen bedingte oder befristete Rechtsgeschäfte vor Verfügungen in der Schwebezeit, auch vor solchen des Insolvenzverwalters. § 140 Abs. 3 setzt demnach eine gesicherte Rechtsposition voraus, während rein tatsächliche Erwerbsaussichten nicht genügen. Die Insolvenzeröffnung selbst hat keinen Einfluss auf den Eintritt der Bedingung oder des Termins. Vielmehr werden sie mit Eintritt der Bedingung oder des Termins wirksam oder unwirksam. § 91 Abs. 1 findet insoweit keine Anwendung. § 140 Abs. 3 betrifft zudem ausschließlich Fälle rechtsgeschäftlich bedingter oder befristeter Rechtshandlungen. Keine Bedingungen i.S. des § 140 Abs. 3 sind Rechtsbedingungen (so z.B. wenn ein Vertrag der behördlichen Genehmigung oder der Zustimmung eines Dritten bedarf) oder Potestativbedingungen.
Rn 76
§ 140 Abs. 3 erfasst sowohl aufschiebende als auch auflösende Bedingungen und Befristungen. Für auflösende Bedingungen wird § 140 Abs. 3 jedoch nur dann bedeutsam, soweit eine Rechtshandlung vor ihrem Bedingungseintritt angefochten werden soll. Deshalb ist die Norm praktisch nur für aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte relevant.
Rn 77
Des Weiteren ist § 140 Abs. 3 auch im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 anwendbar. Ist zumindest eine der gegenseitigen durch Rechtsgeschäft entstandenen Forderungen aufschiebend befristet oder von einer Bedingung abhängig, ist die Aufrechnungslage i.S. des § 387 BGB noch nicht gegeben, weil eine aufschiebend bedingte oder befristete Forderung nicht erfüllbar ist. Treffen im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 jedoch die Voraussetzungen des § 140 Abs. 3 zu, kommt es aus anfechtungsrechtlicher Sicht nicht auf die Begründung der Aufrechnungslage an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die spätere bedingte oder befristete Forderung entstand und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet wurde, also auf den Zeitpunkt der rechtsbegründenden Tatumstände.