Rn 8

Fraglich ist, ob § 142 einer teleologischen Reduktion im Geschäftsverkehr zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschaftern bedarf. Hierfür spricht, dass die Privilegierung in § 142 in einem gewissen Spannungsverhältnis mit dem Leitbild – etwa – der GmbH steht. Danach hat der Gesellschafter in Form des von ihm aufgebrachten Eigenkapitals das Risiko einer wirtschaftlichen Unternehmung zu tragen. Weicht der Gesellschafter nun in der Krise, also zu einem Zeitpunkt, in dem er gesellschaftsrechtlich besehen keinen Risikobeitrag mehr an der Unternehmung trägt, in eine Drittgläubigerstellung aus, könnte er durch Vermögensumschichtungen im Gesellschafsvermögen Vorteile für sich erzielen, ohne dabei einen eigenen Risikoanteil übernehmen zu müssen. Dies ist aber mit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren. Die besondere Stellung des Gesellschafters kommt aber auch darin zum Ausdruck, dass der Gesellschafter – anders als außenstehende Gläubiger – besonderen Pflichten zum Schutz der ungesicherten Gläubiger unterliegt. Dies zeigt sich etwa darin, dass der Gesellschafter als Teilnehmer i.S. des § 830 BGB[17] oder als "faktischer Geschäftsführer" im Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO, § 64 Satz 1, 2 GmbHG)[18] zur Verantwortung gezogen werden kann. Eine Krisenhaftung zu Lasten des GmbH-Gesellschafters kennt das Gesetz aber auch in Form des "Kapitalersatzrechts". Danach muss der Gesellschafter (zugunsten der Gesellschaftsgläubiger) unter bestimmte Voraussetzungen die Verantwortung für die negativen Folgen seiner Krisenfinanzierung übernehmen (vgl. hierzu § 135 Rn. 3). Aus diesen Vorschriften geht hervor, dass der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft eine im Vergleich zu einem normalen außen stehenden Gesellschafter besondere Verantwortung gegenüber der Gläubigergesamtheit zu tragen hat. Er muss nämlich – im Prinzip – in der Krise alles unterlassen, was die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigt. Mit dieser besonderen Verantwortung des Gesellschafters in der Gesellschaftskrise ist eine Privilegierung der zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Geschäfte nach § 142 unvereinbar.[19] Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gesellschafter mit mehr als 10% am Stammkapital beteiligt ist; denn typisch für eine solche Beteiligungen ist, dass sie dem Gesellschafter – ganz anders als bei einem außen stehenden Gläubiger – jederzeit die Möglichkeit vermittelt, sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu informieren (vgl. § 51a GmbHG) und ihm damit einen bedeutenden Informationsvorsprung verschafft.

[17] Grigoleit, Geschäftsführerhaftung für interne Einflussnahmen im Recht der GmbH, 2006, S. 118 f.; Michalski-Nerlich, GmbHG, § 64 Rn. 103; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rn 111; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 64 Rn 42 f.
[18] BGHZ 150, 61 (69 f.) = NZI 2002, 395 [BGH 25.02.2002 - II ZR 196/00]; OLG Jena DZWIR 2003, 82 (83); BGH BB 2005, 1869 [BGH 11.07.2005 - II ZR 235/03] (1870 f.); vgl. zum Ganzen Haas, NZI 2006, 494 ff.
[19] Haas, DStR 2001, 623 (629 f.).

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