Rn 36
Treuhandkonten sind vor allem bei einer Geschäftsfortführung dann vorzugswürdig, wenn eine spätere Masseunzulänglichkeit und damit eine Anwendung der Quotenregelung des § 209 möglich erscheinen; das Gleiche gilt für den Fall, dass Masseneuverbindlichkeiten eingegangen werden müssen, ohne dass sicher ist, dass diese – trotz Vorrangs (§ 209 Abs. 1 Nr. 2) – in voller Höhe befriedigt werden können. Denn mit der Vermögensseparierung auf einem Treuhandkonto lässt sich eine für die Betriebsfortführung erforderliche Sicherstellung insbesondere von Lieferantenforderungen und Ansprüchen von Versorgern bewerkstelligen: Es wird ein mehrseitiges Treuhandverhältnis begründet, wobei die Sicherungstreuhand zwischen Verwalter und (Masse-)Neugläubiger der Verwaltungstreuhand zwischen Schuldner und Verwalter vorgeht. Im Sicherungsfall können sich die Neugläubiger aus dem Treugut vorrangig befriedigen (§ 51 Nr. 1).
Rn 37
Gerade deshalb wird das Treuhandmodell – insbesondere in der vorläufigen Insolvenz – teilweise abgelehnt; allerdings zu Unrecht. Entspricht die Unternehmensfortführung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters, so kann der Verwalter einzelne Neugläubiger mittels des Treuhandmodells sichern, wenn diese nur so zur weiteren Lieferung bereit sind. Formal entspricht die Treuhandlösung (nachträgliche Separierung von Schuldnervermögen auf einem der Masse letztlich entzogenen Verwalterkonto) während des Insolvenzverfahrens der Freigabe von Massegegenständen durch den Verwalter. Ersatzansprüche aus §§ 60, 61 InsO entstehen für die übrigen Gläubiger nur bei einer Masseschmälerung, die allerdings grundsätzlich daran scheitert, dass durch die Leistungen der Sicherungsnehmer gleichwertige Güter in die Masse gelangen. Könnte der Verwalter zum Erwerb der zur Geschäftsfortführung benötigten Gegenstände ein Bargeschäft schließen, kann es ihm nicht verboten sein, statt dessen Gläubiger bis zur Erfüllung besonders zu sichern. Deshalb führt das Treuhandmodell auch nicht zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung einzelner Gläubiger und damit zu einer Verletzung des Grundsatzes par condicio creditorum.
Rn 38
Ob sich dieselben Rechtsfolgen wie beim Treuhandmodell (Absicherung einzelner Gläubiger durch Bevorzugung bei der Verteilung) auch mittels dahingehender einzelner Ermächtigungen des Insolvenzverwalters herbeiführen lassen, ist zweifelhaft. Zwar ist diese Möglichkeit nunmehr für die vorläufige Verwaltung anerkannt. Für die Zeit nach Verfahrenseröffnung wird das Gericht den Verwalter aber nicht ermächtigen können, über § 208, § 209 Abs. 1 Nr. 2 hinaus bevorrechtigte Masseneuforderungen zu begründen. Hinzu kommt vor allem, dass die Einzelermächtigung dann keine Hilfe bietet, wenn – was im Geschäftsverkehr nicht selten vorkommt – die zu sichernden Vertragspartner noch nicht (sicher) feststehen oder vorhersehbar sind.