Rn 21
Es war ein Hauptanliegen der Reform, neben der Liquidation die Sanierung als gleichberechtigte Abwicklungsform einzuführen (vgl. § 1 Abs. 1 Rn. 6 ff.). Ein Unternehmen kann dadurch gerettet werden, dass ihm selbst neues Kapital zugeführt wird (Innensanierung – dazu Rn. 29 ff.), oder dadurch, dass es auf einen neuen, finanzkräftigen Unternehmensträger überführt wird (sog. übertragende Sanierung).
1.2.1 Möglichkeiten der Abwicklung
Rn 22
Statt der Veräußerung einzelner Vermögensgegenstände (Zerschlagung) kommt als Verwertung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1) auch die Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebes als Ganzes in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass das Rechtsgeschäft auf Unternehmensebene und nicht auf Gesellschafterebene erfolgt: Beim sog. asset-deal werden sämtliche Vermögensgegenstände des Unternehmens einschließlich ggf. eines gesondert im Kaufpreis berücksichtigten Unternehmenswerts als Einheit verkauft. Das bisherige Unternehmen als Betrieb hört auf zu existieren – so dass diese Verwertungsart auch sanierende Liquidation genannt wird –, besteht jedoch als Insolvenzmasse weiterhin fort, in die der Veräußerungserlös fließt. Daher ist auch Umsatzsteuer abzuführen.
Rn 23
Zu unterscheiden ist diese Form der Unternehmensveräußerung von dem sog. schare deal, d.h. der Veräußerung der Geschäftsanteile des Schuldnerunternehmens, die gar nicht Inhalt der Insolvenzmasse sind und dementsprechend auch in der Insolvenz nur von den Gesellschaftern und nicht von dem Verwalter veräußert werden können, so dass auch der Erlös den Gesellschaftern und nicht der Insolvenzmasse zufließt. In ihrer Verfügungsbefugnis über die Anteile werden die Gesellschafter durch die Insolvenz nicht beschränkt, brauchen allerdings die Zustimmung des Insolvenzverwalters, wenn satzungsmäßig die Notwendigkeit der Zustimmung der Gesellschaft vorgesehen ist.
Rn 24
Der Unternehmensbegriff ist im Verhältnis zum Betriebsbegriff der umfassendere: Ein Unternehmen als Inbegriff aller Vermögenswerte rechtlicher (Sachen, Forderungen) und tatsächlicher Art (Lage, Kundschaft etc.) kann mehrere Betriebe (= Gesamtheit von Betriebsmitteln, die als organisatorische Einheit unmittelbar und fortgesetzt einen arbeitstechnischen Erfolg durch Einsatz menschlicher Arbeitskraft und sächlicher Mittel erzielen soll) umfassen. In der jetzigen Endfassung der InsO ist § 185 RegE entfallen, der ausdrücklich vorsah, dass die Vorschriften über die Betriebsveräußerung auch für die Veräußerung des gesamten Unternehmens gelten; dafür ist § 160 im Abs. 2 Nr. 1 um "das Unternehmen" erweitert worden, so dass das Ergebnis unverändert geblieben ist.
1.2.2 Haftung des Erwerbers
Rn 25
Fraglich ist, ob bei einer Veräußerung des gesamten Unternehmens der Erwerber nicht im Wege der Vermögensübernahme für die Altverbindlichkeiten haften muss. Nach der Streichung des § 419 a.F. BGB lässt sich eine solche Haftung nicht mehr aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen begründen. Auch nach § 25 HGB ergibt sich keine Pflicht zur Übernahme der Verbindlichkeiten, weil diese Vorschrift eine Übertragung eines Unternehmens mit Aktiva und Passiva erfasst, wohingegen der Verwalter nur die verbliebenen Aktiva durch einen Verkauf verwertet.
1.2.3 Übergang der Arbeitsverhältnisse
Rn 26
Dagegen gilt § 613a BGB auch bei Veräußerung eines Betriebs oder Betriebsteils durch den Insolvenzverwalter, und die betreffenden Arbeitsverhältnisse gehen mit über. Allerdings muss § 613a BGB für die vor der Eröffnung des Verfahrens entstandenen Ansprüche teleologisch reduziert werden, so dass der Erwerber – im Falle des Betriebsübergangs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – nur die Löhne und Gehälter zu zahlen hat, die unter seiner Leitung entstanden sind; die bis zur Eröffnung angefallenen Ansprüche sind weiterhin gegen die Masse als Insolvenzforderung geltend zu machen und, soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen...