Rn 42
Im Gegensatz zum bisherigen Recht, nach dem der Verwalter das Vermögen sofort nach Konkurseröffnung zu verwerten hatte (§ 117 KO), ordnet § 159 diese Pflicht des Verwalters jetzt erst für die Zeit nach dem Berichtstermin an. Für die Zeit davor besteht damit keine Verwertungspflicht. Zu prüfen bleibt aber, ob der Verwalter nicht in der Zeit bis zur Abhaltung des Berichtstermins eine Verwertungsberechtigung besitzt.
Rn 43
In seiner Begründung zu § 172 – der zwar nicht die Verwertung, sondern die Verwendung beweglicher Sachen durch den Verwalter betrifft, jedoch laut BegrRegE an die Verwertungsbefugnis des Verwalters anknüpft – geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Verwertungsberechtigung des Insolvenzverwalters zur Verwertung bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht. Danach bräuchte der Berichtstermin nicht abgewartet zu werden. Es sei zwischen der Berechtigung zur Verwertung einerseits und der nach § 159 erst nach dem Berichtstermin einsetzenden Verpflichtung zur Verwertung andererseits zu unterscheiden. Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht gefolgt werden.
Rn 44
Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche der Vorschriften – §§ 159, 166 einerseits und § 172 andererseits – werden bei dieser Betrachtung nicht hinreichend berücksichtigt. Während §§ 159, 166 eine endgültige Verwertung meinen, die regelmäßig mit der Aufgabe und Liquidation des Unternehmens verbunden sein und hauptsächlich durch Veräußerung bewirkt werden wird, betrifft § 172 gerade nicht die Verwertung, sondern nur die Verwendung von Sachen. Die Erlaubnis zum Verbrauch ist ausdrücklich nicht eingeschlossen und nur unter den in § 172 Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig. Aus der erst mit dem Berichtstermin einsetzenden Verwertungsverpflichtung kann deshalb nicht auf eine vorher bestehende Verwertungsbefugnis geschlossen werden.
Rn 45
Die Beantwortung der Frage, ab wann und in welchem Umfang der Verwalter zur Verwertung berechtigt ist, muss sich vielmehr vorrangig an der in §§ 156, 159 getroffenen Vorgabe des Gesetzgebers orientieren, die Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung des Unternehmens des Schuldners ausdrücklich und ausschließlich der Gläubigerversammlung zu überlassen. Bis zu dieser Entscheidung hat der Verwalter grundsätzlich alles zu unterlassen, was der Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung des Unternehmens vorgreifen würde. Das gilt auch für Verwertungshandlungen.
Rn 46
Andererseits kommt der Verwalter nicht umhin, sogleich mit Übernahme seines Amtes auch Handlungen vorzunehmen, die zur Verwertung oder zumindest zum Verbrauch einzelner zum Schuldnerunternehmen gehörender Sachen führen. Dieses gilt insbesondere dann, wenn er ein noch lebendes Unternehmen vorfindet und dieses – i.S. der Vorgaben der InsO – fortführt. In diesen Fällen sind Verbrauch von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Veräußerungen aus dem Warenlager unumgänglich. Derartige Maßnahmen des Verwalters müssen zulässig sein, will er das Unternehmen bis zum Berichtstermin am Markt erhalten. Dementsprechend bietet sich an, dem Verwalter grundsätzlich die Befugnis zuzugestehen, Verwertungshandlungen im Rahmen des Umlaufvermögens vorzunehmen, solche im Bereich des Anlagevermögens jedoch grundsätzlich zu untersagen.
Rn 47
Damit können Gegenstände des Anlagevermögens können vom Verwalter ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten vor dem Berichtstermin nur in Ausnahmefällen – wie z.B. Gefahr in Verzug, Übernahme eines bereits vom Schuldner stillgelegten Unternehmens – verwertet werden. Gerade der Fall des bereits vor Stellung des Insolvenzantrags stillgelegten Unternehmens spielt – wie auch derjenige der Stilllegung während des laufenden Antragsverfahrens – in der Praxis eine erhebliche Rolle. Insbesondere kommt es immer wieder vor, dass sich gerade in der Anfangsphase der Tätigkeit des (zu jenem Zeitpunkt noch vorläufigen) Verwalters die Möglichkeit bietet, das Anlagevermögen oder zumindest Teile davon zu wesentlich besseren Preisen zu verwerten als später, wenn sämtliche potentiellen Interessenten die Gelegenheit hatten, alles "auf Herz und Nieren" zu prüfen. Ähnlich sieht es aus, wenn der Verwalter durch die umgehende Verwertung auch des Anlagevermögens Mietverhältnisse oder andere Dauerschuldverhältnisse von möglicherweise enormer wirtschaftlicher Bedeutung kurzfristig beenden kann. In allen diesen Fällen wird ein Ausnahmefall in vorgenanntem Sinne im wirtschaftlichen Interesse aller am Verfahren Beteiligter angenommen werden können. Daneben ist eine Veräußerung von Anlagevermögen nur noch mit Einwilligung des Insolvenzschuldners und allen betroffenen Gläubigern möglich.
Rn 48
Alternativ bleibt eine Unternehmensveräußerung im Ganzen mit den unter § 158 Rn. 12 geschilderten Risiken möglich. Daneben soll eine Veräußerung des ganzen Unternehmens im Wege einer Verwertung nach § 158 auch ohne Zustimmung der Gläubiger zulässig sein, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt wurde. Gegen diese Au...