7.1 Allgemeines
7.1.1 Normzweck
Rn 49
Die strafrechtliche Sanktionierung der Insolvenzantragspflicht bezweckt, den Druck zur rechtzeitigen Insolvenzantragstellung zu erhöhen. Abs. 4 und 5 sind daher Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger nach § 823 Abs. 2 BGB. In der Praxis handelt es sich bei § 15a Abs. 4 und 5 um die zahlenmäßig wichtigsten Insolvenzdelikte. Bei vorsätzlicher Begehung droht darüber hinaus ein Tätigkeitsverbot (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG).
7.1.2 Gesetzgebungsgeschichte
Rn 50
Abs. 4 und 5 übernehmen die Strafbestimmungen, die bislang in den einzelnen Gesellschaftsgesetzen geregelt waren (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a. F.; §§ 401 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AktG; §§ 148 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GenG a. F.; § 130b HGB a. F.). Die strafrechtliche Verantwortung im Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppung ist damit nun rechtsformübergreifend geregelt. Einbezogen in den Anwendungsbereich der Vorschrift sind auch entsprechende Auslandsgesellschaften (auf die das deutsche Insolvenzrecht als Insolvenzstatut Anwendung findet). Gleiches gilt für die Vor-Kapitalgesellschaften. Darüber hinaus bezieht sich die in Abs. 4 und 5 angeordnete Strafbarkeit auch auf die in Abs. 3 geregelten Fälle.
7.1.3 Überblick
Rn 51
Abs. 4 und 5 sind Vergehen i. S. d. § 12 Abs. 2 StGB. Folglich ist der Versuch nicht strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB). Der Rechtsnatur nach handelt es sich bei dem Straftatbestand um ein echtes Unterlassungsdelikt. Vollendet ist das Delikt – da es sich um ein Dauerdelikt handelt -, wenn die Höchstfrist von drei Wochen (Rn. 21) abgelaufen ist. Beendet ist das Delikt, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wurde. Fällt die Insolvenzreife nach Ablauf der Dreiwochenfrist weg, ist das Delikt nicht beendet. Vielmehr entfällt dann die Strafbarkeit.
7.2 Der Tatbestand
7.2.1 Täter
Rn 52
Bei Abs. 4 und 5 handelt es sich um ein Sonderdelikt. Täter können daher nur die in § 15 Abs. 1, 2 bzw. im Fall der "Führungslosigkeit" auch die in Abs. 3 bezeichneten Personen sein. Nicht erfasste Personen können sich aber der Beihilfe (§ 27 StGB) bzw. der Anstiftung (§ 28 StGB) strafbar machen. Die Streitfrage, welche Gesellschaftsformen in Abs. 3 einbezogen sind (Rn. 35), ist wegen des strafrechtlichen Analogieverbotes hier besonders brisant. Einbezogen sind – h. M. nach – in den Täterkreis auch die "faktischen" Geschäftsleiter i. e. S. (Rn. 14). Dies ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die strafrechtliche Rechtsprechung den "faktischen" Geschäftsleiter teilweise anders definiert als das Unternehmensinsolvenzrecht. Vielfach wird hier allein darauf abgestellt, ob der Dritte Geschäftsführungsaufgaben mit Wissen und Wollen der für die Organbestellung zuständigen Personen übernimmt, ohne dass es auf ein Auftreten im Außenverhältnis ankommt. Der "faktische" Organbegriff im Strafrecht ist mithin scheinbar weiter als im Unternehmensinsolvenzrecht. Zum anderen stellt sich aber auch hier die Frage des strafrechtlichen Analogieverbots.
7.2.2 Tathandlung
Rn 53
Tathandlung ist das gänzliche Unterlassen der oder die nicht rechtzeitige Insolvenzantragstellung. Darüber hinaus stellt Abs. 4 auch die "unrichtige" Antragstellung unter Strafe. Jede wesentliche Unvollständigkeit des Antrags ist daher ebenfalls strafbar. Dies wird mit Blick darauf, dass auch die fahrlässige Tatbegehung unter Strafe steht, mitunter als sehr weitgehend empfunden. Hier sollte mit Augenmaß gehandelt werden. Beseitigt der Antragsteller die Unvollständigkeit unverzüglich auf entsprechenden richterlichen Hinweis hin, führt – richtiger Ansicht nach – die Berichtigung zur Straffreiheit.
7.2.2 Tathandlung
Rn 53a
Während die Überschuldung stets die Erstellung einer Überschuldungsbilanz verlangt (§ 19 Rn. 27 ff.), kann die Zahlungsunfähigkeit sowohl durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der f...