Rn 41
Der BGH hat in einer Reihe von Entscheidungen den Tatbestand und die Rechtsfolgen der sog. eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung ausgestaltet. Die Praxis konnte sich auf diese Rahmenbedingungen der Fremdfinanzierung der Gesellschaft durch ihre Gesellschafter einrichten. Auf Tatbestandsseite stand die Beantwortung der Frage, ob die Gebrauchsüberlassung der Darlehensgewährung i.S. des § 32a Abs. 3 GmbHG a.F. wirtschaftlich entspricht, im Mittelpunkt. Die Frage wurde vom BGH in ständiger Rechtsprechung bejaht, mag auch die Begründung Kritik geerntet haben. Die miet- oder pachtweise Überlassung eines Grundstücks soll hiernach den Regeln des Eigenkapitalersatzes unterliegen, weil das Unternehmen nach Eintritt der Krise nicht liquidiert, sondern ohne den gebotenen Nachschuss von Eigenkapital unter Fortbestand des Nutzungsverhältnisses weitergeführt wurde. Funktional tritt die Generalklausel des § 32a Abs. 3 GmbHG a.F. an die Stelle einer umfangreichen kasuistischen Regelung. Die Generalklausel dient dem Zweck, Sachverhalte praktischer Umgehung der Vorschriften über den Nachrang der Gesellschafter-Darlehen lückenlos zu erfassen.
Rn 42
Die Rechtsfolge einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung, dass nämlich die Gesellschaft bzw. nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter das Grundstück unentgeltlich nutzen darf ("Zwangsüberlassung"), konnte mit Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder im Fall der Insolvenz des Gesellschafters als Vermieter oder Verpächter mit den Rechten der konkurrierenden Gläubiger des Gesellschafters bzw. mit den Rechten des Insolvenzverwalters kollidieren.
In der Konstellation der Anordnung der Zwangsverwaltung sowie der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters war fraglich, ob und inwieweit der Miet- oder Pachtzins den Gläubigern des Gesellschafters zuzuweisen waren, wenn diese ihre persönliche Forderung gegen den Gesellschafter durch ein Grundpfandrecht an dem vermieteten oder verpachteten Grundstück gesichert hatten. Bei einer Veräußerung des Grundstücks, sei es im Wege der Zwangsversteigerung oder sei es im Fall der Insolvenz des Gesellschafters im Wege freihändiger Veräußerung durch den Insolvenzverwalter, war fraglich, ob die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung an dem veräußerten Grundstück auch den Erwerber bindet oder nicht. Aber auch diese Fragen hat der BGH für die Zeit vor dem Inkrafttreten des MoMiG im Ergebnis klar beantwortet: Wenn das überlassene Grundstück zugunsten der Gläubiger des Gesellschafters mit einem Grundpfandrecht belastet war, sollte die Wirkung einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung ("Zwangsüberlassung") in entsprechender Anwendung von §§ 146 ff. ZVG, §§ 1123, 1124 Abs. 2 BGB mit dem Wirksamwerden des im Wege der Zwangsverwaltung erlassenen Beschlagnahmebeschlusses enden, ohne dass es eines weiteren Tätigwerdens des Zwangsverwalters bedarf. Die Wirkung einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung ("Zwangsüberlassung") sollten ferner auch dann enden, wenn über das Vermögen des vermietenden Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wird, und zwar nach § 110 Abs. 1 InsO spätestens mit Ablauf des der Insolvenzeröffnung nachfolgenden Kalendermonats.
Mit Blick auf die Kollision von Zwangsversteigerung und unentgeltlichem Nutzungsrecht der Gesellschaft aus Eigenkapitalersatzgesichtspunkten gelten die Überlegungen zur Zwangsverwaltung entsprechend, d.h. auch hier stellt die Beschlagnahmewirkung die entscheidende Zäsur dar. Tritt ein außenstehender Dritter infolge des Erwerbs eines Grundstücks von einem Gesellschafter als Vermieter in dessen Mietverhältnis mit seiner Gesellschaft ein, ist er – so der BGH – nicht verpflichtet, der Gesellschaft das Grundstück nach den Eigenkapitalersatzregeln unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen, auch wenn der Verkäufer hierzu verpflichtet wäre.
Rn 43
Im Ergebnis genießt die Durchsetzung der Rechte der Grundpfandrechtsgläubiger des Gesellschafters, konkret das vom Zwangsverwalter wahrgenommenen Fruchtziehungsrecht der Grundpfandrechtsgläubiger, im Verfahren der Zwangsvollstreckung Vorrang vor dem unentgeltlichen Nutzungsrecht der Gesellschaft aus Eigenkapitalersatzgesichtspunkten. Der Insolvenzverwalter hat dann mit Eintritt der Beschlagnahmewirkungen entweder den vereinbarten Miet- oder Pachtzins an den Zwangsverwalter zu entrichten oder das Grundstück an den Zwangsverwalter herauszugeben.
Gleiches gilt im Fall der "Doppelinsolvenz", also für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters. Den Gläubigern der Gesellschaft steht freilich wegen des Verlustes des unentgeltlichen Nutzungsrechts an dem Grundstück ein Ersatzanspruch gegen den Gesellschafter zu, und zwar in Höhe des Wertes des verlorenen Nutzungsrechts. Die Bewertung des Nutzungsrechts kann sich dabei an dem zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vereinbarte Miet- oder Pachtzins orientiere...