Rn 54
Der Insolvenzverwalter ist grundsätzlich berechtigt, auf die Verwertung zu verzichten und den unbeweglichen Gegenstand aus der Masse freizugeben (ausf. zum Institut der Freigabe siehe Kommentierung zu § 35 Rn. 104 ff.). Durch die Freigabe wird der Gegenstand aus dem Insolvenzbeschlag gelöst und fällt fortan (wieder) in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldner, das er ungeachtet der Insolvenz frei verwalten und über das er frei verfügen kann. Hieran ändert auch die Einbeziehung des Neuerwerbs gem. § 35 InsO nichts. Die Freigabe bewirkt auch kein "wiederaufleben" einer zuvor mit Verfahrenseröffnung wegen der Rückschlagssperre nach § 88 InsO unwirksam gewordene Zwangshypothek. Der Gläubiger kann dann allenfalls – freilich nach Verlust seiner Rangposition – einen erneuten Vollstreckungsversuch in das mittlerweile insolvenzfreie Grundstück unternehmen.
In der Insolvenz von juristischen Personen und sonstigen insolvenzfähigen Personenvereinigungen i.S. von § 11 InsO wurde in der Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertreten, dass hier eine Freigabe nicht in Betracht komme. Begründet wird dies mit dem Charakter des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens als Vollliquidationsverfahren. Da die Gesellschaft kein Privatschicksal und kein Privatvermögen kenne, sei bei ihr für massefreies Vermögen kein Raum.
Der BGH und auch das BVerwG sind dem nicht gefolgt und haben eine Freigabemöglichkeit angenommen. Nach Auffassung des Gerichts darf – auch wenn dem Verwalter gemäß § 199 neben der insolvenzrechtlichen Abwicklung auch die gesellschaftsrechtliche Liquidation obliegt – das Ziel der vollständigen Liquidation nicht die optimale Gläubigerbefriedigung unterlaufen. Dies ist zutreffend. Die Befugnis zur Freigabe wird in § 32 Abs. 3, § 85 Abs. 2 und § 207 Abs. 3 Satz 2 vorausgesetzt, folgt im Übrigen aber auch schon aus § 80 Abs. 1. Der Nebenzweck der Vollliquidation kann nur dann zur Geltung kommen, wenn der Hauptzweck des Verfahrens, d.h. die optimale Gläubigerbefriedigung, nicht beeinträchtigt wird.
Rn 55
Eine Freigabe ist insbesondere dann geboten, wenn die Kosten der Verwaltung und Verwertung des Grundstücks den voraussichtlichen Verwertungserlös übersteigen oder wenn das Grundstück so hoch mit Absonderungsrechten belastet ist, dass ein Verwertungsüberschuss für die Masse nicht erwartet und auch im Wege einer Verwertungsvereinbarung nicht erzielt werden kann. Die Freigabe wird in einem bereits anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren nicht von Amts wegen berücksichtigt, sondern muss vom Insolvenzschuldner als Träger des insolvenzfreien Vermögens ggf. nach § 37 Nr. 5 ZVG i.V.m. §§ 769, 771 ZPO "verteidigt" werden.
Rn 56
Der Insolvenzverwalter wird das Grundstück auch dann freigeben, wenn es mit Umweltlasten kontaminiert ist und die Behörde die Beseitigung der Altlasten bzw. die aus der Masse die Kosten für eine entsprechende Ersatzvornahme fordert. Denn es drohen Ersatzvornahmekosten, die auch dann Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 sind, wenn die Beseitigungspflicht schon vor Insolvenzeröffnung entstanden ist. Dass der Verwalter die Masse dadurch der öffentlich-rechtlichen Haftung entzieht, steht der Freigabe nicht entgegen. Insbesondere begründet dieser Umstand nicht die Sittenwidrigkeit der Freigabe nach § 138 Abs. 1 BGB. Keine Abhilfe verschafft die Freigabe des Grundstücks, wenn der Verwalter aufgrund einer Handlung nach Insolvenzeröffnung als Verhaltensstörer in Anspruch genommen wird.