Rn 77
Die Einbeziehung der Absonderungsrechte in das Insolvenzverfahren und eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung dienen allein der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und nicht der Umverteilung von Vermögen von den gesicherten auf die ungesicherten Gläubiger (oben Rn. 63). Deshalb werden die zur abgesonderten Befriedigung berechtigten Gläubiger durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse entschädigt, soweit der Wert ihres Sicherungsrecht geschmälert wird: Der Zinsverlust infolge der Verzögerung der Verwertung (unten Rn. 79 ff.) und ein etwaiger Wertverlust infolge der Benutzung des Sicherungsgegenstandes (unten Rn. 84 ff.) werden nach Maßgabe des § 30e ZVG ausgeglichen.
Rn 78
Die Ausgleichzahlung ist Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, weil sie auf die Einstellung der Zwangsversteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters zurückgeht.
Rn 79
Nach Abs. 1 Satz 1 des § 30e ZVG ist die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit aus der Insolvenzmasse gezahlt werden. Für die Zeit vor dem Berichtstermin (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1) bleibt der Zwangseingriff demnach ohne Ausgleich (zur Begrenzung des Zeitraums auf höchstens drei Monate auch in der Konstellation, in der die Einstellung bereits im Eröffnungsverfahren erfolgt ist, unten Rn. 106).
Rn 80
Die Auflage ist von Amts wegen mit der Einstellung nach § 30d ZVG zu verbinden. Allenfalls ein Verzicht des Gläubigers ist entsprechend § 308 Abs. 1 ZPO denkbar.
Rn 81
Unklar ist, welcher Zinssatz den "geschuldeten Zinsen" i.S.d. § 30e Abs. 1 Satz 1 ZVG zugrunde liegt, ob der Zinssatz einer etwaigen schuldrechtlichen Vereinbarung oder Zinsen in Höhe der dinglichen Zinsen gemeint sind. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die "geschuldeten Zinsen" i.S.d. § 30e Abs. 1 Satz 1 ZVG die – regelmäßig niedrigeren – vertraglich vereinbarten oder kraft Gesetzes geschuldeten (§ 288 BGB, § 352 HGB) Zinsen sind. Dies Ergebnis ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Ausgleichzahlung im Fall der einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung. Denn die Ausgleichszahlung soll lediglich Nachteile infolge der Verzögerung der Verwertung wettmachen. Der Zins i.S.d. § 30e Abs. 1 Satz 1 ZVG stellt mithin Entgelt für die (fortgesetzte) Kapitalnutzung durch den Schuldner dar. Die Höhe dieses Entgelts ist jedoch der ursprünglichen schuldrechtlichen Vereinbarung oder – standardisiert – dem Gesetz zu entnehmen. Nicht übersehen werden darf nämlich, dass der dingliche Zinsanspruch nicht Entgeltcharakter in dem eben bezeichneten Sinne, sondern – wie das Grundpfandrecht – Sicherungscharakter hat (und auch nur deshalb regelmäßig höher ist als der schuldrechtliche Zinsanspruch, nicht selten sogar 15 bis 18 Prozent beträgt). Der dingliche Zinsanspruch sichert sämtliche Haupt- und Nebenforderungen. Eine Zahlung auf die regelmäßig höheren dinglichen Zinsen hätte wegen der aus ihnen resultierenden Übersicherung einen mittelbaren Tilgungseffekt und würde dem Gläubiger nicht nur einen Nachteil ausgleichen, sondern einen Vorteil gewähren. § 30e Abs. 1 ZVG soll jedoch keine solchen Vorteile in Form von Tilgungen eröffnen. Das Vollstreckungsgericht, das im Grundsatz keine materiell-rechtlichen Erwägungen anzustellen hat, muss daher ausnahmsweise die (unstreitigen) schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner im Vollstreckungsverfahren berücksichtigen.
Rn 82
Bezugspunkt der Zinszahlungspflicht ist der zu erwartende Versteigerungserlös. Einen Anhaltspunkt für die Höhe des zu erwartenden Versteigerungserlöses soll nach der Gesetzesbegründung die Festsetzung des Verkehrswertes im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 74a Abs. 5 ZVG bieten. Die zeit- und kostenaufwändige Einholung eines Verkehrswertgutachtens kommt nach dem Sinn und Zweck der einstweiligen Einstellung nach § 30d ZVG regelmäßig nicht in Betracht. Der Verkehrswert des Grundstücks ist notfalls im Wege der Schätzung zu bestimmen.
Rn 83
Der zu erwartende Versteigerungserlös ist auch im Zusammenhang mit der Ausnahme von der Pflicht zur Zinszahlung nach Abs. 3 des § 30e ZVG von Bedeutung. Hiernach entfällt die Pflicht zur Zinszahlung nach Abs. 1 nämlich, wenn und soweit nach der Höhe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Grundstücks nicht mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Versteigerungserlös zu rechnen ist. Den Gläubigern, die wegen des Nachranges ihres Sicherungsrechts ohnehin mit keiner Befriedigung aus dem Erlös der Zwangsversteigerung zu rechnen haben, entsteht infolge der Verzögerung der Zwangsversteigerung auch kein Nachteil, den es auszugleichen gilt. Dies betrifft die Fälle der sog. Schornsteinhypotheken, also Belastungen, die den Wert des Sicherungsgegenstands voll ausschöpfen. Dasselbe gilt entsprechend für ...