Rn 109
Bei der Verwertung von Grundstücken fallen wie bei jeder sonstigen vertraglichen Veräußerung Grunderwerbssteuern an, und zwar unabhängig davon, ob die Verwertung freihändig erfolgt oder im Wege der Zwangsvollstreckung. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind Veräußerer und Erwerber Gesamtschuldner. Bei der Verwertung durch Zwangsversteigerung ist Steuerschuldner der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG anfallenden Grunderwerbssteuer – im Gegensatz zur freihändigen Veräußerung – allein der Meistbietende (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Wegen der Grunderwerbssteuer ist der Grundstücksumsatz gemäß § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfrei. Optiert der Insolvenzverwalter gemäß § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer, unterliegen infolge der Einführung des § 13b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 UStG zum 1.4.2004 sämtliche Grundstücksumsätze, also insbesondere auch der außerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgte Grundstückserwerb, der Umsatzsteuerpflicht des Leistungsempfängers. Damit wird nur der Erwerber mit Umsatzsteuer belastet. Eine Umsatzsteuerpflicht der Masse ist folglich entfallen. Die Steuer aus der Grundstücksveräußerung trägt allein der Erwerber. Ergeben sich allerdings Vorsteuerberichtigungsansprüche zugunsten der Masse, so steht ihr ein Erstattungsanspruch zu. Zu beachten ist § 9 Abs. 3 UStG, wonach die Option zur Umsatzsteuer nur bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig ist.
Rn 110
Optiert der Insolvenzverwalter nicht zur Umsatzsteuer, wird die Insolvenzmasse gemäß § 15a UStG mit Vorsteuerberichtigungsansprüchen belastet. Ob Vorsteuerberichtigungsansprüche des Finanzamtes nach § 15a UStG Masseverbindlichkeiten sind, ist unklar. Nach Auffassung des V. Senats des BFH stellt der Vorsteuerberichtigungsanspruch Massekosten dar, begründet insbesondere einen eigenen Steuertatbestand und ist keine aufschiebend bedingte Forderung, während der VII. Senat – freilich ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum – die gegenteilige Auffassung vertreten und entschieden hat, dass die Rechtsprechung des V. Senats zu sehr die tatbestandliche Ausgestaltung des § 15a UStG (als eigenständiger Steueranspruch) betone und den materiellen Kern von § 15a UStG außer Betracht lasse, nach dem aber eine Einordnung als Insolvenzforderung angezeigt ist. Der Auffassung (auch) des VII. Senats des BFH vermochte jüngst dessen XI. Senat nicht zu folgen und plädierte ebenfalls für eine Einordnung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs des Finanzamts nach § 15a UStG als Masseverbindlichkeit.
Rn 111
In dem Fall, in dem die Grundstücksübertragung als "Geschäftsveräußerung im Ganzen" einzuordnen ist, unterliegt die Verwertung nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. Dies setzt nach Satz 2 des § 1 Abs. 1a UStG freilich voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.
Rn 112
Eine freihändige Verwertung des mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter stellt grundsätzlich eine steuerbare aber nach § 4 Nr. 9 lit. a UStG steuerfreie Lieferung des Insolvenzverwalters an den Erwerber dar. Im Zusammenhang mit der sog. kalten Zwangsvollstreckung und sog. kalten Zwangsverwaltung hat der BFH in seiner jüngsten Rechtsprechung zu der umsatzsteuerlichen Behandlung der freihändigen Verwertung von mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück klargestellt, dass auch in dieser Konstellation eine umsatzsteuerbare Leistung gegenüber dem Erwerber und dem Grundpfandgläubiger durch den Insolvenzverwalter vorliegen kann, soweit der Insolvenzverwalter aufgrund der Verwertungsvereinbarung zur Vereinnahmung eines Massekostenbeitrages berechtigt ist. Neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber liegt auch eine sonstige Leistung i.S.d. § 4 Nr. 9 lit. a UStG der Masse an den Grundpfandgläubiger vor. Es handele sich bei der Verwertung durch den Insolvenzverwalter um eine sonstige Leistung im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages gem. §§ 675 ff. BGB. Deshalb entfällt der Charakter als entgeltliche Leistung und damit auch die Steuerpflicht, wenn bei der freihändigen Veräußerung die Berechtigung zum Einbehalt eines Massekostenbeitrag nicht entsteht, weil der erzielte Erlös die Forderung des Grundpfandgläubigers übersteigt. Auf den Einwand, die Beurteilung der freihändigen Veräußerung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke als steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgung und folglich sonstige Leistung i.S.d. § 4 Nr. 9 lit. a UStG der Masse an den Grundpfandgläubiger führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber der Verwertung sicherungsübereigneter beweglicher Gegenstände, reagiert der BFH mit einer ausdrücklichen Änderung seiner Rechtsprechung hinsichtlich der zuletzt genannten Verwertung sicherungsübereigneter beweglicher Gegenstände: Bisher galt, dass der Insolvenzverwalte...