Rn 14
Bei der Bestimmung der Reichweite der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters bezüglich einer beweglichen Sache, an der ein Absonderungsrecht des Gläubigers besteht, sind nach § 166 Abs. 1 InsO die Besitzverhältnisse an dem Sicherungsgegenstand maßgeblich. Die Sache muss sich im Besitz des Insolvenzverwalters befinden bzw. etwas genauer mit Blick auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Besitz des Insolvenzschuldners oder des vorläufigen Insolvenzverwalters. Der Insolvenzverwalter hat gem. § 148 InsO das Schuldnervermögen erst mit Verfahrenseröffnung in Besitz zu nehmen. Die Frage des Besitzes bestimmt sich nach §§ 854 ff. BGB, so dass auf die tatsächliche Sachherrschaft abzustellen ist.
Im Falle des unmittelbaren Besitzes greift unproblematisch das Verwertungsrecht des Verwalters. Ob für das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters auch mittelbarer Besitz i.S.v. § 868 BGB ausreichend ist, lässt der Wortlaut des § 166 InsO offen. Der IX. Zivilsenat des BGH hat in zwei Entscheidungen den Umfang des Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters insoweit konkretisiert: In seinem Urteil vom 16. 2. 2006 hat er festgestellt, dass ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters auch bei solchen Gegenständen besteht, an denen er nur mittelbaren Besitz hat. Im konkreten Sachverhalt ging es um das Verwertungsrecht hinsichtlich sicherungsübereigneter Leasinggegenstände in der Insolvenz des Leasinggebers: Habe der Schuldner eine sicherungsübereignete Sache gewerblich vermietet oder verleast, so bestehe nach dem Sinn und Zweck des § 166 Abs. 1 auch an diesen Gegenständen ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters, soweit sie sowohl für eine Unternehmensfortführung als auch für eine geordnete Abwicklung des Schuldnervermögens benötigt werden. In seiner Entscheidung vom 16. 11. 2006 hat der BGH ebenfalls ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters bei nur mittelbaren Besitz angenommen, wenn der Schuldner einem Dritten die in Rede stehenden Gegenstände überlassen hat, damit dieser sie lagere und an Kunden für und im Namen des Schuldners weitervermiete, wenn es sich hierbei um "eine Überlassung im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit" handelt und eine "typische unternehmerische Disposition" getroffen wird, die "unmittelbar einen betriebsbezogenen Charakter" hat.
Der BGH lässt den mittelbaren Besitz nach § 868 BGB mithin nicht per se als Begründung für ein Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 genügen, sondern rekurriert vor allem auf den Sinn und Zweck des § 166 Abs. 1 (siehe dazu auch Rn. 1 sowie Vorbemerkung §§ 165, 166). Letztlich geht es bei der Auslegung des Besitzbegriffs darum, die Wertungen herauszuarbeiten, von denen sich der Gesetzgeber bei der Verwendung des Besitzes als normativen Begriff gerade im Zusammenhang mit § 166 Abs. 1 hat leiten lassen. Sodann ist zu fragen, ob auch der mittelbare Besitz diese gesetzgeberischen Wertungen in sich aufzunehmen vermag. Insofern spricht nach der Gesetzesbegründung eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Insolvenzmasse dann am wirtschaftlichsten verwertet werden kann, wenn der technisch-organisatorische Verbund des Schuldnervermögens erhalten bleibt. Vor diesem Hintergrund sorgt jedenfalls der unmittelbare Besitz des Schuldners bzw. Insolvenzverwalters, also die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über einen Gegenstand, dafür, dass der Gegenstand als in den "technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens" eingebunden anzusehen ist. Dies ist insoweit naheliegend, als es bei körperlichen Gegenständen regelmäßig um die konkrete Nutzungsmöglichkeit geht und diese tatsächliche Sachherrschaft voraussetzt. Umgekehrt spricht dann eine Vermutung dafür, dass die Sache für den "technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens" verzichtbar ist, wenn der Schuldner sich seines Besitzes an der Sache und damit der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit freiwillig begibt.
Rn 15
Allerdings muss die Aufgabe des unmittelbaren Besitzes die Zugehörigkeit des Gegenstandes zum schuldnerischen Unternehmen im Sinne eines "technisch-organisatorischen Verbundes" nicht immer zwingend aufheben, wenn ganz im Sinne des BGH "eine Überlassung im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit" erfolgt und eine "typische unternehmerische Disposition" getroffen wird. Hinter der Verwendung des Besitzbegriffs steht mit anderen Worten die "Regelvermutung" für eine Einbindung in den "technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens", die jedenfalls am unmittelbaren Besitz anknüpft. Gleichwohl kann im Einzelfall durchaus auch der mittelbare Besitz eine Einbindung in den "technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens" bewirken.
Rn 16
Anerkennt man ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters im Fall des bloßen mittelbaren Besitzes ist dieses Verwertungsrecht nicht im Grundsatz vom Willen des Besitzmittlers (vgl. § 868 BGB) abhängig. Der absonderungsberechtigte Gläubiger erhält aber nicht dadurch ein eigen...