4.2.2.1 Kontradiktorische Urteile
Rn 34
Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es somit für die Abgrenzung von § 184 Abs. 1 und Abs. 2 darauf an, ob sich dem jeweiligen Titel eine verbindliche Feststellung des Rechtsgrundes entnehmen lässt (siehe Rn. 32). Der BGH hat zur verbindlichen Feststellung des Rechtsgrundes im Zusammenhang mit § 184 a.F. bereits Stellung genommen und hierbei auf die vergleichbare Rechtslage bei § 850f Abs. 2 ZPO verwiesen. Es besteht daher Anlass zu der Vermutung, dass sich die zu § 850f Abs. 2 ZPO ergangenen Entscheidungen auf die vorliegende Problematik übertragen lassen.
Rn 35
Ein vollstreckbarer Schuldtitel i.S.d. § 184 Abs. 2 liegt jedenfalls dann vor, wenn es sich um ein aufgrund streitiger Verhandlung ergangenes Urteil handelt und das Urteil nicht nur den zu vollstreckenden Anspruch als solchen, sondern zusätzlich auch eine rechtskraftfähige Feststellung des Rechtsgrundes enthält. Liegt also ein kontradiktorisches Urteil vor, in dessen Tenor nicht nur die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung einer Geldsumme enthalten ist, sondern zusätzlich auch in einem gesonderten Feststellungsausspruch festgestellt wird, dass die Zahlungsverpflichtung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners beruht, hat der Schuldner seinen Widerspruch nach Maßgabe des § 184 Abs. 2 Satz 1 binnen eines Monats zu verfolgen. Anderenfalls gilt der Widerspruch gem. § 184 Abs. 2 Satz 2 als nicht erhoben, und der Gläubiger kann in der Konsequenz seinen Anspruch ungeachtet einer möglichen Restschuldbefreiung des Schuldners mit den Mitteln der Einzelzwangsvollstreckung durchsetzen (§ 302 Nr. 1).
Rn 36
Fraglich ist, ob es auch ausreicht, wenn sich die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung nicht aus einem rechtskraftfähigen Ausspruch im Tenor selbst, sondern (erst) aus dem Tatbestand und den Urteilsgründen ergibt. In der vergleichbaren (Parallel-)Situation des § 850f Abs. 2 ZPO wird dies überwiegend als ausreichend erachtet. Die Auslegung des § 850f Abs. 2 ZPO dürfte sich auf § 184 bzw. § 302 übertragen lassen. Dass der Deliktscharakter und die Schuldform des Vorsatzes nicht an der Rechtskraft eines Leistungsurteils teilnehmen, steht dem nicht entgegen. Es reicht allerdings nicht aus, dass allein im Tatbestand subsumtionsfähige Tatsachen angegeben worden sind; vielmehr muss – in den Urteilsgründen – auch die entsprechende Subsumtion vorgenommen worden sein.
4.2.2.2 Weitere Schuldtitel
Rn 37
Nach Ansicht des BGH kann durch einen Vollstreckungsbescheid nicht verbindlich festgestellt werden, dass der Anspruch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Will der Inhaber eines Vollstreckungsbescheids nach § 302 Nr. 1 gegen den Schuldner vollstrecken, so muss er sich daher vor dessen Insolvenz ein ergänzendes Feststellungsurteil besorgen oder nach § 184 Abs. 1 gegen den Schuldner vorgehen. Der Vollstreckungsbescheid reicht nach Ansicht des BGH auch dann nicht aus, wenn er auf eine Anspruchsgrundlage Bezug nimmt, die eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt. Der auf einem Mahnbescheid beruhende Vollstreckungsbescheid sei nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten Anspruchs festzulegen. Dies gelte deshalb, weil der Mahnbescheid auf einseitigen Angaben des Gläubigers beruhe, die vom Gericht nicht materiell-rechtlich nachgeprüft werden.
Rn 38
Der BGH scheint, um zu einer Bindung im Feststellungsprozess zu gelangen, eine entsprechende Schlüssigkeitsprüfung durch den Richter vorauszusetzen. Geht man hiervon aus, so wären neben dem Vollstreckungsbescheid auch zahlreiche andere Titel nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des geltend gemachten Anspruchs verbindlich festzulegen. Dies betrifft etwa das Anerkenntnisurteil. Indes dürfte sich die Aussage des BGH nicht auch auf Titel beziehen, die – wie das Anerkenntnisurteil – wesentlich auf ei...