8.1.1 Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter
8.1.1.1 Fehlerhafte Nichtaufnahme in das Verzeichnis
Rn 34
Der Insolvenzverwalter verletzt eine Pflicht, wenn er eine zu berücksichtigende Forderung nicht in das Verzeichnis aufnimmt und infolgedessen nicht auszahlt. Zu den Sorgfaltspflichten des Insolvenzverwalters gehört es, den Inhalt der Insolvenztabelle mit den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen zu vergleichen und auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen. Verletzt er diese Pflicht, ist er nach Maßgabe des § 60 schadensersatzpflichtig. Der Schaden entspricht der Höhe nach der Zahlung, die an den betreffenden Gläubiger zu leisten gewesen wäre. Wird der Gläubiger bei der nächsten Verteilung gemäß § 192 vorrangig berücksichtigt, fällt der Schaden insoweit weg. Es verbleibt jedoch ein Zinsschaden.
Rn 35
Der Gläubiger muss sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er die Möglichkeit versäumt hat, gemäß § 194 gegen das Verzeichnis vorzugehen. Dasselbe gilt, wenn er es versäumt hat, nachfolgend eine Berücksichtigung analog § 192 zu erwirken. Bei der Bemessung der Verursachungsanteile fällt ins Gewicht, dass der Insolvenzverwalter durch die Erstellung des fehlerhaften Verzeichnisses die eigentliche Schadensursache gesetzt hat. Das Mitverschulden des Gläubigers führt demgemäß i. d. R. nicht zu einem vollständigen Wegfall, sondern nur zu einer Kürzung des Schadensersatzanspruchs.
8.1.1.2 Fehlerhafte Aufnahme in das Verzeichnis
Rn 36
Nimmt der Insolvenzverwalter einen Gläubiger zu Unrecht in das Verzeichnis auf und leistet eine Zahlung an diesen, so können die übrigen Gläubiger vom Verwalter den Betrag als Schaden beanspruchen, den sie, wäre es nicht zur Auszahlung an den Nichtberechtigten gekommen, zusätzlich erhalten hätten. Auch hier kommt allerdings eine Kürzung des Anspruchs in Betracht, wenn die Gläubiger die Möglichkeit versäumt haben, gemäß § 194 vorzugehen oder eine nachträgliche Berücksichtigung nach § 192 zu erreichen.
8.1.2 Schadensersatzansprüche gegen das Insolvenzgericht
Rn 37
Das Insolvenzgericht hat das Verteilungsverzeichnis nicht zu überprüfen (siehe oben Rn. 23). Dementsprechend können Amtshaftungsansprüche gegen das Insolvenzgericht nicht aus der Fehlerhaftigkeit eines Verteilungsverzeichnisses hergeleitet werden.
8.1.3 Bereicherungsansprüche
Rn 38
Bereicherungsrechtliche Ansprüche kommen, wenn auf der Grundlage eines fehlerhaften Verteilungsverzeichnisses Auszahlungen vorgenommen werden, nicht in Betracht. Dies gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann, wenn eine Forderung eines Insolvenzgläubigers versehentlich nicht in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurde. Hier können die benachteiligten Gläubiger nicht von den bevorzugten Gläubigern (anteilig) Zahlung verlangen. Sinn des Verteilungsverzeichnisses ist es gerade, die ausgewiesenen Beträge vor jedem späteren Angriff zu sichern. Das Verteilungsverzeichnis stellt damit im Verhältnis der Gläubiger zueinander einen Rechtsgrund für das gegenseitige Behaltendürfen der Auszahlung dar. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der benachteiligte Gläubiger den Schlusstermin schuldhaft oder unverschuldet versäumt hat. Das Rechtsschutzbedürfnis der Gläubiger beschränkt sich auf das Einwendungsverfahren gemäß § 194.
Rn 39
Entsprechendes gilt, wenn die Forderung eines Gläubigers zu Unrecht in das Verteilungsverzeichnis aufgenommen worden ist. Auch hier ist das Verzeichnis der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Auszahlung. Weder dem Insolvenzverwalter noch den anderen Gläubigern stehen Bereicherungsansprüche gegen den (zu Unrecht) begünstigten Gläubiger zu. Die alleinige Möglichkeit für sie besteht darin, rechtzeitig gemäß § 194, § 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Einwendungen gegen das Verzeichnis zu erheben.
Rn 40
Von Fehlern des Verteilungsverzeichnisses streng zu unterscheiden sind Fehler bei der Auszahlung, bei denen der Insolvenzverwalter vom Inhalt des Verteilungsverzeichnisses abweicht. Hier kommen verschiedene Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Bereicherungsausgleich in Betracht (siehe unten Rn. 44 ff.).