Rn 27
Nach Maßgabe der Legaldefinition des Abs. 2 Satz 1 ist das (Aktiv-)Vermögen des Schuldners den bestehenden Verbindlichkeiten gegenüberzustellen.
Maßgeblicher Stichtag ist grundsätzlich das Datum der Erstellung der Überschuldungsbilanz.
Rn 28
Der zur Prüfung der Überschuldung aufzustellende Status entsprechend der Handelsbilanz, die also das wirtschaftliche Ergebnis in einer Rechnungsperiode wiedergeben soll, kann lediglich als Indiz für eine Überschuldung fungieren. Der Überschuldungsstatus hat den Zweck, das gesamte Vermögen und die gesamten Verbindlichkeiten des Schuldners zu einem Stichtag zu ermitteln und gegenüberzustellen, um festzustellen, ob die bestehenden Verbindlichkeiten zu 100 % durch entsprechendes Vermögen gedeckt sind und daher grundsätzlich bedient werden können.
Rn 29
Für die Überschuldungsbilanz gelten nicht die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften für eine Jahresbilanz, ebenso wenig gilt das Vorsichtsprinzip und die handelsbilanzrechtlichen Aktivierungsverbote. Vorhandene Vermögenswerte sind jedoch realistisch zu bewerten. Des Weiteren kann die Jahresbilanz hinsichtlich des dortigen Mengengerüstes als Grundlage des Überschuldungsstatus dienen.
Rn 30
Auf der Aktivseite sind in der Überschuldungsbilanz alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte anzusetzen, die im Rahmen einer insolvenzverfahrensmäßigen Liquidation selbstständig verwertbar wären.
Ein Firmenwert oder sonstige immaterielle Werte können auf der Aktivseite nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie einzeln veräußerbar sind oder bereits konkrete Aussichten auf eine Realisierung dieses Wertes bestehen, etwa durch eine Gesamtveräußerung des Unternehmens.
Rn 31
Auf der Passivseite der Bilanz sind die bestehenden und auch in einem Insolvenzverfahren zu bedienenden Verbindlichkeiten einzustellen, grundsätzlich keine Berücksichtigung finden in der Überschuldungsbilanz solche Verbindlichkeiten, die erst nach bzw. mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstehen, d.h. beispielsweise die Kosten des Insolvenzverfahrens, Verbindlichkeiten aus einem nach Verfahrenseröffnung abzuschließenden Sozialplan oder Schadensersatzverbindlichkeiten wegen der Nichterfüllung von Verträgen gem. §§ 103 ff.
Rn 32
Nach der hier vertretenen Auffassung sind die Vermögenswerte auf der Aktivseite zunächst unter der Annahme einer Unternehmensliquidation zu bewerten. Dies bedeutet, dass die Vermögensgegenstände grundsätzlich zu Einzelveräußerungspreisen zu bewerten sind, wobei auch der mögliche Verwertungszeitraum zu berücksichtigen ist.
Rn 33
Ausnahmsweise kommt eine Bewertung des vorhandenen Vermögens zu einem Gesamtwert bzw. Gesamtpreis in Betracht, wenn die Gesamtveräußerung des Unternehmens wahrscheinlich ist. Dies ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn bereits ein konkretes Kaufangebot eines Interessenten vorliegt.
Rn 34
Grundsätzlich kann von einer Liquidation des Unternehmens unter Normalbedingungen ausgegangen werden, sodass entsprechende Einzelveräußerungspreise unter der Annahme einer geordneten, zeitlich gestreckten Verwertung für die jeweiligen Vermögensgegenstände angesetzt werden können. Nur in dem Fall, dass eine sofortige Liquidierung des Unternehmens geboten oder unvermeidlich wäre, sind die Aktiva mit Zerschlagungswerten anzusetzen.