Rn 54
Alternativ zum allgemeinen Verfügungsverbot kann das Gericht als vorläufige Maßnahme anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (sog. schwache vorläufige Insolvenzverwaltung). Dabei sind unter Zustimmung sowohl die vorhergehende Einwilligung, als auch die nachfolgende Genehmigung zu verstehen. Die Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 Satz 1 ZPO) ersetzt nicht die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Verpflichtungsgeschäfte kann der Schuldner auch nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes uneingeschränkt eingehen. Dies kann aber zu einer Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 führen. Wie beim allgemeinen Verfügungsverbot richtet sich die Wirkung des Zustimmungsvorbehalts nach § 24 Abs. 1, der wiederum auf §§ 81, 82 verweist. Verfügungen des Schuldners nach Anordnung der durch den Zustimmungsvorbehalt bewirkten Verfügungsbeschränkung sind gem. §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 Satz 1 absolut unwirksam. Demgegenüber wird ein sonstiger, nicht auf Verfügungen des Schuldners oder Vollstreckungsmaßnahmen für einen Gläubiger beruhender Rechtserwerb im Eröffnungsverfahren nicht ausgeschlossen, da es an einem Verweis in § 24 auf § 91 fehlt (vgl. auch die Kommentierung zu § 24 Rdn. 7). Es besteht damit die Möglichkeit, anstelle des umfassenden Eingriffs in die Verfügungsmacht des Schuldners eine weniger einschneidende Verfügungsbeschränkung zu installieren. Der vorläufige Insolvenzverwalter tritt dabei nicht an die Stelle des Schuldners, der weiterhin handlungsbestimmend bleibt, sondern tritt ihm zur Seite. Er ist gleichwohl ebenso wie der starke vorläufige Insolvenzverwalter der Unternehmensfortführung verpflichtet.
Neben einem allgemeinen Zustimmungsvorbehalt kann es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten im Rahmen des Eröffnungsverfahrens geboten sein, nur bestimmte, konkret bezeichnete Verfügungen unter den Vorbehalt der Zustimmung zu stellen, also einen besonderen Zustimmungsvorbehalt zu verhängen (s.o. Rdn. 16). Umgekehrt kann das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 1 den vorläufigen Insolvenzverwalter auch ohne allgemeines Verfügungsverbot über den Zustimmungsvorbehalt hinaus dazu ermächtigen, einzelne, im Voraus genau umrissene Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen (sogenannte Einzelermächtigung), soweit dies im Insolvenzeröffnungsverfahren meist im Zusammenhang mit einer Unternehmensfortführung erforderlich ist (vgl. die Kommentierung zu § 22 Rdn. 54 ff.).
Rn 55
Durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts wird die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 vermieden. Dies führt vor allem dazu, dass Verbindlichkeiten des Schuldners aus den vom vorläufigen Insolvenzverwalter während einer Betriebsfortführung in Anspruch genommenen Arbeitsverhältnissen in einem später eröffneten Insolvenzverfahren Insolvenzforderungen nach § 38 darstellen. Sobald die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer meist nach § 169 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, stellen sie nach § 55 Abs. 3 generell nur noch Insolvenzforderungen dar. Dies gilt nach § 55 Abs. 3 Satz 2 ausdrücklich auch für die von der Insolvenzsicherung erfassten Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die nicht auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen, sondern bei der Einzugsstelle verbleiben. Dadurch sollen auch im Falle der Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbotes die ansonsten über § 55 Abs. 2 eintretenden Belastungen durch Masseverbindlichkeiten und die daraus für den vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 61 resultierenden Risiken vermieden werden, nachdem bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung das Bundesarbeitsgericht im Wege "richterlicher Rechtsfortbildung" entschieden hatte, dass im Falle eines Anspruchsübergangs das Vorzugsrecht aus § 55 Abs. 2 für die Bundessagentur für Arbeit entfalle. Auch sonstige teilweise erhebliche Massebelastungen aus beim Insolvenzschuldner bestehenden Dauerschuldverhältnissen bestehen nach § 55 Abs. 2 im Falle eines Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis fort, soweit der Verwalter i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 2 die Gegenleistung aus dem Dauerschuldverhältnis in Anspruch nimmt.
Durch die Wiedereinführung des Fiskusprivilegs in § 55 Abs. 4 sind die Vorteile der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung im Verhältnis zum Fiskus abgeschafft worden. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers, zusätzliche Einnahmequellen in Insolvenzverfahren zu erschließen, wird unter Verletzung des Grundprinzips der Gläubigergleichbehandlung erreicht. Nunmehr sind auch bei einer vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt beispielsweise Umsatzsteuerverbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen des Schuldners im Eröffnungsverfahren als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren.
Rn 56
Trotzdem dürfte es sich zur Masseschonung in einem Insolvenzeröffnungsverfahren auch weiterhin empf...