Rn 66
Nach § 30d Abs. 4 Satz 1 ZVG kann ein vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zu beantragen, wenn er glaubhaft machen kann, dass die einstweilige Einstellung zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners erforderlich ist. Mit Rücksicht auf die gesetzgeberische Absicht, wonach insbesondere ein noch aktives Schuldnerunternehmen zumindest bis zum Berichtstermin in seinem Bestand erhalten werden soll, dürfte es für eine solche Glaubhaftmachung ausreichen, dass der Antragsteller den notwendigen Fortbestand der betrieblichen Einheit belegt. Sind die Sanierungsaussichten noch nicht abschließend geprüft, ist die einstweilige Einstellung daher regelmäßig möglich.
Für das Antragsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters macht es keinen Unterschied, ob er mit oder ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen ausgestattet ist. Nach dem Wortlaut des § 30d Abs. 4 Satz 1 ZVG ist für die einstweilige Einstellung lediglich erforderlich, dass überhaupt ein vorläufiger Verwalter bestellt wurde. Unterbleibt also die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung in einem Regelinsolvenzverfahren, so steht dem Schuldner während des Eröffnungsverfahrens keine Möglichkeit der einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zu. Eine solche wird aber ohnehin nur in Betracht kommen und vor allem wegen der daraus resultierenden Folgen nur nötig sein, wenn der Versteigerungstermin schon im laufenden Eröffnungsverfahren ansteht. Im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren räumt § 30d Abs. 4 Satz 2 ZVG das Antragsrecht dem Schuldner selbst ein.
Zuständig für die Einstellung ist das Vollstreckungsgericht, dementsprechend fehlt es an einer Befugnis des Insolvenzgerichts zur Einstellung von Amts wegen.
Rn 67
Erfolgt eine einstweilige Einstellung während des Eröffnungsverfahrens, so hat das Vollstreckungsgericht ohne Ermessen gleichzeitig die Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger spätestens drei Monate nach der ersten einstweiligen Einstellung laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind (§ 30e Abs. 1 Satz 2 ZVG). Mit Rücksicht auf die dabei für die Insolvenzmasse entstehenden und zum Teil erheblichen Belastungen wird also ein vorläufiger Insolvenzverwalter Chancen und Risiken eines Antrags auf einstweilige Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens sorgfältig gegeneinander abzuwägen haben. Ein solcher Antrag dürfte daher nur in Betracht kommen, wenn es sich um ein unverzichtbares Betriebsgrundstück handelt, das voraussichtlich über die Dauer des Zwangsversteigerungsverfahrens hinaus für betriebliche Zwecke benötigt wird.
Im Falle einstweiliger Einstellung hat das Vollstreckungsgericht außerdem nach § 30e Abs. 2 ZVG die Möglichkeit, auf Antrag des Gläubigers anzuordnen, dass bei einer Fortsetzung der Nutzung des Grundstücks für die Insolvenzmasse der dadurch ggf. entstehende Wertverlust seit der Einstellung des Verfahrens durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse an den Gläubiger auszugleichen ist. Nach § 30e Abs. 3 ZVG werden diese Auflagen nicht angeordnet, soweit nach der Höhe der Forderung bzw. dem Wert oder der sonstigen Belastung des Grundstücks nicht mit einer Befriedigung des betreffenden Gläubigers aus dem Versteigerungserlös zu rechnen ist.
Dagegen gibt es im Falle einer Zwangsverwaltung eines unbeweglichen Gegenstands für den vorläufigen Insolvenzverwalter keine Einstellungsmöglichkeit, da § 153b ZVG nur nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt. Zur Vermeidung der hohen Kosten und Abstimmungsschwierigkeiten einer Zwangsverwaltung behilft sich die Praxis mit einer sog. kalten oder stillen Zwangsverwaltung. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Grundpfandrechtsgläubiger, wonach sich der Verwalter verpflichtet, das Grunstück zu bewirtschaften, die Miet- oder Pachtforderungen einzuziehen und diese nach Abzug der Kosten und eines Verwertungskostenbeitrags an den Grundpfandrechtsgläubiger auszukehren. Auch die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück im Wege der Eintragung einer Zwangshypothek nach den §§ 866, 867 ZPO wird überhaupt nicht erfasst. Sie ist daher – abgesehen von Anfechtungsrisiken und der Rückschlagsperre nach § 88 – formal uneingeschränkt möglich. In dieser Hinsicht sollte durch den Gesetzgeber eine Ergänzung des § 21 Abs. 2 Nr. 3 erfolgen, da diese Art der Zwangsvollstreckung derjenigen in bewegliche Gegenstände nahesteht.