Rn 13
Mit der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 stellt der Gesetzgeber klar, dass der vorläufige Verwalter die ihm eingeräumte Verfügungsbefugnis grundsätzlich nur zur Sicherung und dem Erhalt des Schuldnervermögens, mithin zum Schutz der künftigen Masse, nutzen darf, z. B. um durch kurzfristigen Verkauf den Verderb oder Vermögensverfall von Warenbeständen zu verhindern. Maßgeblich für diese Einschränkung waren die Absichten zur Stärkung der Gläubigerautonomie sowie Erwägungen, dass insbesondere im Fall einer Ablehnung der Verfahrenseröffnung der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück erhält und deswegen Verfügungen des vorläufigen Verwalters – insbesondere soweit sie nicht rückgängig zu machen sind – auf ein Mindestmaß beschränkt und nur zur Vermeidung einer Vermögensschädigung i. S. d. beteiligten Gläubiger zugelassen werden sollten. Dies bedeutet, dass der vorläufige Verwalter bei seinen eigenen Verfügungen nicht wie ein Verwalter im eröffneten Verfahren vorgehen, sondern immer die Möglichkeit im Auge behalten sollte, dass es auch zu einer Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens kommen kann. Dies gilt in ganz besonderem Maße, wenn die zu dieser Beurteilung notwendige Tatsachengrundlage gerade im Anfangsstadium noch gar nicht zur Verfügung steht.
2.1.1 Inbesitznahme
Rn 14
Zur effektiven Sicherung der zukünftigen Insolvenzmasse kann der vorläufige Verwalter, das gesamte Schuldnervermögen in Besitz nehmen. Hierzu gehören auch Daten als wirtschaftlich realisierbare Rechtsgüter. Weigert sich der Schuldner, kann der vorläufige Verwalter die Herausgabe erzwingen, denn der Anordnungsbeschluss ist ein Titel i. S. v. § 794 Nr. 3 ZPO i. V. m. § 148 Abs. 2 analog. Darüber hinaus umfasst die Sicherungsfunktion auch Gegenstände im Besitz Dritter. Weigert sich der Dritte, muss der Verwalter eine possessorische Besitzschutzklage erheben. Diese kann sich auch gegen Aus- und Absonderungsberechtigte richten, wenn sie in verbotener Eigenmacht Gegenstände in ihren Besitz gebracht haben. Entzieht der Verwalter dem Dritten eigenmächtig den Besitz, überschreitet er seine Befugnisse und setzt sich einer persönlichen Haftung aus. Eine ordnungsgemäße Inbesitznahme erfordert regelmäßig eine Erfassung, Aufzeichnung und Inventarisierung des Schuldnervermögens.
Der vorläufige Verwalter muss aufgrund des klaren gesetzlichen Wortlauts in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 nicht auf unsicherer Grundlage entscheiden, ob die in Besitz genommenen Gegenstände später tatsächlich zur Insolvenzmasse zählen, sondern kann zunächst alle Vermögensgegenstände sichern. Die Sicherungspflicht umfasst mithin auch Gegenstände, die mit Rechten Dritter belastet sind. Im Unterschied dazu geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht im eröffneten Verfahren ausweislich § 80 Abs. 1 nur hinsichtlich des "zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens" auf den endgültigen Verwalter über. Zur Inbesitznahme ist der vorläufige Verwalter nur berechtigt und ver-pflichtet, wenn dies der Sicherungszweck gebietet, er mithin nicht auf anderem Wege eine Sicherung herbeiführen kann.
Rn 15
Folglich ist eine Inbesitznahme von unpfändbarem Vermögen immer unzulässig. Im Übrigen ist der vorläufige Verwalter grundsätzlich verpflichtet, dem Schuldner bis zur Eröffnung des Verfahrens einen notwendigen Unterhalt aus dem verwalteten Vermögen zu gewähren (§§ 100 Abs. 2, 36 analog).
Bestehen unzweifelhaft Aus- oder Absonderungsrechte an einem Gegenstand und ist dieser für eine Betriebsfortführung nicht erforderlich, kann der vorläufige Verwalter diesen ausnahmsweise vorab im Wege der Freigabe herausgeben. Darüber hinaus verstößt eine Freigabe jedoch gegen die Sicherungspflicht, da sie einer unzulässigen Verwertung entspricht.
2.1.2 Verwertungsverbot
Rn 16
Es obliegt grundsätzlich der Gläubigerversammlung, im eröffneten Verfahren zu entscheiden, ob ein Unternehmen ganz oder in Teilen fortgeführt oder liquidiert wird. Daher verbieten sich Verwertungsmaßnahmen des vorläufigen Verwalters regelmäßig. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn diese Verwertungsmaßnahmen, die im Extremfall a...