Dr. Lucas F. Flöther, André Wehner
Rn 12
Die Vorschrift des § 229 Satz 3 wurde durch das ESUG neu eingeführt. Sinn und Zweck der Norm ist es, das Planverfahren transparenter und kalkulierbarer zu gestalten. Deshalb sind bei der Planaufstellung alle bekannten Gläubiger zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie ihre Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben oder nicht. Dies betrifft sowohl die Vermögensübersicht als auch den Ergebnis- und Finanzplan. Nach dem Vorsichtsprinzip sind auch die aus dem Fortführungsergebnis möglicherweise an diese Insolvenzgläubiger zu leistenden Quotenzahlungen zu berücksichtigen. Hintergrund ist, dass Insolvenzgläubiger aufgrund der ebenfalls neu eingeführten Vorschrift des § 259 b noch binnen eines Jahres nach Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses gemäß § 248 ihre Forderungen geltend machen können und in Höhe der Quote zu befriedigen sind wie sie für die Gläubiger der Gruppe festgelegt ist, der der jeweilige Insolvenzgläubiger zuzuordnen gewesen wäre. Durch die Berücksichtigung sämtlicher bekannter Gläubiger soll das Risiko gemindert werden, dass ein rechtskräftig bestätigter Insolvenzplan durch nachträgliche Forderungsanmeldungen zu Fall gebracht wird, weil in der Finanz- und Liquiditätsplanung keine Vorkehrung getroffen wurde. Die neue Regelung in Satz 3 wird im Schrifttum zum Teil unter Hinweis darauf kritisiert, dass auch im Regelverfahren nur die Forderungsanmeldungen vornehmenden Gläubiger im Rahmen der Schlussverteilung berücksichtigt werden, also für die anmeldungsunwilligen Gläubiger im Planverfahren keine bessere Situation dadurch eintreten dürfe, dass sie auch nach Abschluss des Verfahrens noch innerhalb der Frist von § 259 b Ansprüche geltend machen können. So bedenkenswert dieser Einwand auch sein mag, überzeugt die Neuregelung des Gesetzgebers dennoch. Durch sie wird von vornherein sichergestellt, dass sämtliche bekannten Gläubiger mit ihrer Forderungen in den Planrechnungen berücksichtigt werden.
Maßgeblich für die Kenntnis von den Gläubigerforderungen ist das Wissen des Planerstellers. Das meint die Kenntnis des Planvorlegenden i. S. v. § 218. Deshalb muss sich der den Insolvenzplan erstellende Verwalter nicht die Kenntnis des Schuldners zurechnen lassen. Umgekehrt gilt dies ebenso. Wird hingegen ein Dritter mit der Erstellung des Insolvenzplans beauftragt, ist ihm die Kenntnis seines Auftraggebers zuzurechnen (§ 166 Abs. 2 BGB).
Der Höhe nach streitige oder noch nicht abschließend bezifferbare Ansprüche sind nicht mit einem Erinnerungswert, sondern mit einem Schätzbetrag, der die zu erwartende Inanspruchnahme angemessen widerspiegelt, in die Planrechnungen aufzunehmen.
Indem Satz 3 auf die Regelung in § 229 Satz 1 Bezug nimmt, gilt die Pflicht zur Berücksichtigung aller bekannten Gläubiger nur für Pläne, in denen die Gläubiger aus den Erträgen des fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen. Ungeachtet dessen empfiehlt es sich, um vor "Überraschungen" durch sog. Nachzügler geschützt zu sein, auch bei sonstigen, insbesondere aus Drittmitteln finanzierten Plänen alle bekannten Gläubiger in den Planrechnungen zu berücksichtigen.