Dr. Lucas F. Flöther, André Wehner
Rn 13
Eine Grenze für den gerichtlichen Schutz zugunsten eines zukünftigen Plans muss dann bestehen, wenn dem Interesse des Planvorlegenden gleichfalls schutzwürdige Interessen anderer Beteiligter entgegenstehen. Bis zum Erörterungs- und Abstimmungstermin, der Klarheit über die Annahme des Plans bringt, wird häufig erhebliche Zeit verstreichen. Hätte die Vorlage eines Plans im Falle eines entsprechenden Antrags stets die Aussetzung der Verwertung und Verteilung zur Folge, so könnte z. B. der Schuldner eine bereits vom Verwalter ausgehandelte, für die Gläubiger günstige Unternehmensveräußerung durch die Vorlage eines Fortsetzungsplans beträchtliche Zeit blockieren und dadurch diese ganz zum Scheitern bringen. Es bestünde die Gefahr, dass durch eine Aussetzung der Verwertung das Insolvenzverfahren erheblich verzögert wird.
Rn 14
Darum sieht § 233 Satz 2 vor, dass das Gericht die Aussetzung nicht anordnet bzw. eine angeordnete Aussetzung aufhebt, wenn der Masse durch die entstehende Verzögerung erhebliche Nachteile drohen oder der Verwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung, die gemäß § 75 Abs. 2 kurzfristig einzuberufen ist, einen entsprechenden Antrag stellt.
3.1 Voraussetzungen
3.1.1 Gefahr von erheblichen Nachteilen für die Masse
Rn 15
Ebenso wie der Planvorlegende ein Recht darauf hat, dass sein Plan ernsthaft geprüft wird und während dieser Zeit keine Handlungen vorgenommen werden, die eine Realisierung der im Plan vorgesehenen Maßnahmen vereiteln könnten, muss auch den anderen Beteiligten das Recht zustehen, dass ihre Interessen hinreichend berücksichtigt werden. Sobald daher aus der durch eine Aussetzung eintretenden Verzögerung erhebliche Nachteile für die Masse resultieren können, hat das Gericht dafür zu sorgen, dass die Verwertung nicht länger hinausgezögert wird (1. Alternative).
Rn 16
Zunächst müssen mithin Nachteile für die Masse zu erwarten sein. Diese können sich z. B. ergeben, wenn eine spätere Verwertung der Gegenstände nur einen geringeren Erlös ergeben würde oder die zu verwertenden Gegenstände bis zur Entscheidung über den Plan kostspielig (diese Kosten sind vorab aus der Masse zu begleichen) zu lagern wären.
Rn 17
Des Weiteren müssen diese Nachteile erheblich sein. Wann Erheblichkeit in diesem Sinne vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Als grobe Richtschnur wird auch hier die für § 160 Abs. 2 Nr. 2 und 3 (§ 160 Rdn. 16) geltende 10 %-Marke (hier bezogen auf die Summe der Forderungsbeträge der betroffenen Gläubiger) herangezogen werden können. Aus dem Erfordernis erheblicher Nachteile für die Masse folgt dementsprechend, dass allein die mit einer späteren Verwertung und damit einem späteren Massezufluss einhergehenden Zinsverluste regelmäßig keine Entscheidung nach § 233 Satz 2 rechtfertigen.
Rn 18
Es muss lediglich eine Gefahr von Nachteilen für die Masse bestehen, so dass bereits dann die Aussetzung nicht (länger) angeordnet werden darf, wenn sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sagen lässt, dass sich durch die sofortige Verwertung des Gegenstands ein besseres Ergebnis erzielen lässt, als wenn erst die Entscheidung über die Annahme eines Insolvenzplans abgewartet wird.
3.1.2 Auf Antrag des Verwalters mit Zustimmung der Gläubiger
Rn 19
Sind der Verwalter und eines der genannten Organe der Gläubiger übereinstimmend der Meinung, dass die Verteilung nicht länger aufgeschoben werden sollte (2. Alternative), hat das Gericht dieser Auffassung zu folgen und von der Aussetzung der Verwertung abzusehen bzw. diese aufzuheben, unabhängig davon, ob es in der Aussetzung eine Gefahr für die Masse sieht, weil in dieser Variante dem Grundsatz der Gläubigerautonomie Rechnung getragen wird.
3.2 Rechtsfolge
Rn 20
Während das Gericht in der 1. Alternative einen eigenen Beurteilungsspielraum über das Bestehen einer "Gefahr erheblicher Nachteile für die Masse" hat, können die Gläubiger, zu deren Gunsten die Vorschrift aufgenommen wurde, in der 2. Alternative zusammen mit dem Verwalter den weiteren Weg des Verfahrens bestimmen, ohne dass das Gericht hier korrigierend eingreifen könnte. Ebenso wie schon bei Satz 1 kommt dem Gericht auch hier in beiden Varianten kein Entscheidungsermessen zu, so dass allein die Prüfung der Voraussetzungen der 1. Alternative einer gerichtlichen Beurteilung unterliegt, ansonsten das Gericht aber antragsgemäß die Aussetzung ablehnen bzw. widerrufen muss (sog. gebundene Entscheidung).