Rn 9
Die Basis für eine Berechnung von Mehrheiten ist grundsätzlich durch die Kopfzahl der Gläubiger vorgegeben (Rdn. 7 f.). Diese kann allerdings unter Umständen niedriger sein als die Zahl der tatsächlich im Verfahren stimmberechtigten Gläubiger. Ein solcher Sonderfall liegt dann vor, wenn die Rechte mehrerer Gläubiger miteinander verknüpft sind, so dass diese Gläubiger innerhalb der Abstimmung gleichwohl als nur eine Person behandelt werden müssen und demzufolge auch nur einheitlich abstimmen können.
2.2.1 Gemeinschaftliches Recht (§ 244 Abs. 2 Satz 1)
Rn 10
Die Vorschrift des § 244 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass Gläubiger, die bezüglich eines Anspruchs eine Forderungsgemeinschaft bilden oder eine solche vor dem Eintritt eines Eröffnungsgrunds gebildet hatten, bei der Abstimmung "kopfmäßig" als ein Gläubiger zu rechnen sind. Sie können ihr Stimmrecht nur einheitlich ausüben.
Rn 11
Kommen die betroffenen Gläubiger dem nicht nach und stimmt ein Teil der Gläubiger gegen und ein anderer Teil für den Insolvenzplan, gilt die Stimmabgabe als Enthaltung. Die Wirkung einer solchen Enthaltung steht jedoch einer Ablehnung nicht gleich (Rdn. 4). Damit bleibt eine geteilte Stimmabgabe für das Abstimmungsergebnis unberücksichtigt. Gibt jedoch nur einer der Berechtigten überhaupt seine Stimme ab, ist diese bei der Berechnung der Mehrheit zu berücksichtigen, bei der Ermittlung der Summenmehrheit allerdings nur in Höhe der auf den Abstimmenden entfallenden Forderungshöhe.
2.2.1.1 Einheitliches Stimmrecht infolge gemeinschaftlicher Forderung (Alternative 1)
Rn 12
Zum einen ergibt sich eine Beschränkung auf ein einheitliches Stimmrecht, wenn den Gläubigern ihr Recht nur gemeinschaftlich zusteht (§ 244 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1).
Rn 13
Dazu reicht noch nicht aus, dass mehrere Gläubiger eine Leistung zu fordern haben, wenn diese teilbar ist und somit § 420 BGB unterfällt. In diesem Fall kann jeder Teilgläubiger für sich eine eigene Stimme beanspruchen. § 244 Abs. 2 Satz 1 findet dann keine Anwendung. Jeder Gläubiger hat hier ein eigenes Stimmrecht, das er unabhängig von den anderen Teilgläubigern geltend machen kann.
Rn 14
Liegt hingegen eine unteilbare Leistung vor (§ 432 BGB) oder ist der Schuldner den Gläubigern insgesamt nur einmal verpflichtet, die Leistung zu erbringen (Fall der Gesamtgläubigerschaft – § 428 BGB), so haben die Gläubiger hinsichtlich der Kopfzahl im Interesse der Effektivität und Durchführbarkeit des Plans nur eine Stimme. Zur wirksamen Stimmabgabe muss deshalb eine Einigung aller anwesenden Mitgläubiger über das Stimmrecht herbeigeführt werden (vgl. Rdn. 10 f.). Eine ausreichende Verbindung zwischen den Gläubigern besteht ferner im Rahmen einer Gesamthandsgemeinschaft (z.B. OHG, KG, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Verein ohne Rechtsfähigkeit, Gütergemeinschaft der Ehegatten, Erbengemeinschaft), in der jeder Gläubiger Leistung nur an die Gemeinschaft fordern kann. Haben verschiedene Banken oder Lieferanten bezüglich ihrer Absonderungsrechte einen Pool gebildet und sind diese Rechte gemeinsame Rechte einer BGB-Gesellschaft geworden, so müssen die betreffenden Gläubiger bei einer Abstimmung in einer Absonderungsrechtsgruppe eine einheitliche Stimme abgeben und werden dabei nur mit einem Kopf gezählt. Gleiches gilt, wenn im Bankenpool eine Bank treuhänderisch alle Absonderungsrechte hält, weil insoweit als Absonderungsrechtsinhaber nur der Treuhänder auftritt. Soweit hiervon abweichend einer Forderungsgemeinschaft mehrere Stimmen zugebilligt und bei der Auszählung berücksichtigt werden, ist dem Plan die Bestätigung zu versagen. Diese Gläubiger werden im Interesse der Effektivität und der Durchführbarkeit des Plans bei der Abstimmung nach Köpfen als ein Gläubiger behandelt.
Rn 15
Ähnlich stellt sich die Situation im Falle der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger gemäß § 19 Abs. 2 SchVG dar. Seine Vertretung ist zwar rechtsgeschäftlicher Natur, im Unterschied zum einzeln bevollmächtigten Vertreter kann er aber ggf. auch gegen den Willen einzelner Gläubiger bestellt werden sowie gegen deren Weisungen handeln. Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nimmt den Anleihegläubigern die Befugnis, ihre Rechte im Insolvenzverfahren selbst zu verfolgen. Sie führt zu einer Zwangskollektivierung der Anleiheinteressen und damit zur Verpflichtung des Vertreters, einheitlich abzustimmen, § 19 Abs. 3 SchVG. Dem gemeinsamen Vertreter ist aus diesem Grund auch nur eine Kopfstimme zuzuerkennen.