Rn 15
Als zweite Voraussetzung für eine gesetzlich fingierte Zustimmung einer Klasse von Beteiligten muss deren angemessene Beteiligung am planmäßigen Erlös sichergestellt sein (§ 245 Abs. 1 Nr. 2). Einzelheiten darüber, ab wann eine Beteiligung als angemessen anzusehen ist, enthält § 245 Abs. 2, dessen Bedingungen ebenso wie schon bei § 245 Abs. 1 kumulativ erfüllt sein müssen. Fehlt daher auch nur eine der in § 245 Abs. 2 genannten Voraussetzungen, so ist die Fiktion einer Zustimmung nicht mehr möglich, und das Verfahren muss allein nach den gesetzlichen Regelungen abgewickelt werden. § 245 Abs. 2 ist die Ausprägung des im amerikanischen Insolvenzrecht entwickelten, heute in § 1129b) kodifizierten, Grundsatzes der "absolute priority rule". Die daraus hervorgehende Formel "fair and equity" wurde von den Gerichten in der Auslegung des Chapter 11 U. S. Bankruptcy Codes als zentraler Prüfstein der Beurteilung der Behandlung der verschiedenen Klassen von Forderungen durch den Plan zugrunde gelegt. Jener Grundsatz beruht letztlich auf dem Gedanken der Haftungsverwirklichung durch Zuweisung des schuldnerischen Vermögens an die Gläubiger zum Zweck ihrer Befriedigung. Die Vorschrift bezweckt die Verwirklichung der par conditio creditorum.
2.2.1 Keine Befriedigung über den Nennwert der Forderung hinaus (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1)
Rn 16
Gemäß § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 darf nach dem Plan kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhalten, die den vollen Betrag seiner Ansprüche übersteigen. Der maßgebliche Gedanke ist hier, dass es keine Gruppe von Gläubigern hinnehmen müssen soll, zwar selber nicht schlechter zu stehen als ohne Plan, andere Gläubiger nach dem Plan jedoch wirtschaftliche Werte (Erlöse) erhalten, die den Betrag ihrer Ansprüche übersteigen. Sobald daher ein Gläubiger bei der Abwicklung des Plans auf eine seiner Forderungen mehr als 100 % erhält, ist die Obergrenze der Gläubigerbefriedigung überschritten und es liegt eine unangemessene Beteiligung der jeweils anderen Gruppe vor, so dass deren Ablehnung des Plans nicht missbräuchlich ist und folglich auch nicht mittels des Obstruktionsverbots umgangen werden kann.
2.2.2 Keine Zuwendungen an nachrangige Gläubiger oder den Schuldner (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2)
Rn 17
Wenn der Plan in die Rechte einer Klasse von Beteiligten eingreift, kann deren Ablehnung nicht durch § 245 in eine Zustimmung verwandelt werden, wenn planmäßig vorgesehen ist, dass ein nachrangiger Gläubiger (§ 39), der Insolvenzschuldner oder eine an letzterem beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert erhalten soll. In das Rangverhältnis i.d.S. werden absonderungsberechtigte Gläubiger nicht einbezogen. Denn die nicht nachrangige Forderung ist dem Absonderungsrecht nicht nachrangig, vielmehr stehen die Absonderungsrechte in gar keinem Rangverhältnis. Schließlich kann die gesicherte Forderung eines Absonderungsrechts auch eine nachrangige Forderung i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sein. § 245 Abs. 2 Nr. 2 regelt also nicht, dass absonderungsberechtigte Gläubiger voll befriedigt werden müssen, bevor der Plan eine Quote für eine Gruppe nicht absonderungsberechtigter Gläubiger vorsieht. Die Vorschrift des § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 untersagt eine Umstrukturierung der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge der Gläubigerklassen und bewirkt so die Wahrung der Prioritäten hinsichtlich der Befriedigung. Es braucht von den Gläubigern einer Gruppe nicht akzeptiert zu werden, dass der Plan ihre Rechte beeinträchtigt, während andere Beteiligte, die ohne einen Plan mit Nachrang zu den Gläubigern dieser Gruppe zu befriedigen wären (und damit i.d.R. sogar leer ausgingen), wirtschaftliche Werte erhalten. Wenn daher der Plan Zahlungen an die nachrangigen Gläubiger vorsieht, so ist darauf zu achten, dass die Rechte der einfachen Insolvenzgläubiger dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Rn 18
Weiterhin verbietet sich eine Besserstellung des Schuldners. Wegen des Sinn und Zwecks des Insolvenzplanverfahrens (Entschuldung, ggf. Fortführung) ist ein Verzicht der Gläubiger aber keine Vermögensmehrung des Schuldners, welche die Anwendung des Obstruktionsverbots ausschließt. Verlangt der Plan einem Gläubiger keinen Verzicht ab, ist § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Regelung auf ihn nicht anwendbar ist. Die planmäßig vorgesehene Fortführung des Unternehmens durch den Schuldner kann nicht a priori als Zuwendung eines Werts an den Schuldner behandelt werden, obwohl dieser hier die Chance erhält, sein Unternehmen zu erhalten, was ihm nach dem gesetzlichen Abwicklungsmodell nicht möglich wäre. Es bedarf vielmehr sorgfältiger Betrachtung der Umstände des Einzelfalls. Wenn beispielsweise kein Dritter bereit ist, anstelle des Schuldners das Unternehmen zu den im Plan vorgesehenen Bedingungen fortzuführen, kann nicht ohne weiteres angenommen ...