Rn 23

Unlauter in diesem Sinne ist ein Verhalten, das objektiv gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, auch wenn im Einzelfall subjektiv eine Täuschung weder bezweckt noch bewirkt wurde.[38] Das ist z.B. der Fall bei

  • der Verfälschung der Abstimmung durch einen Stimmenkauf. Die bloße Behauptung eines Stimmenkaufs reicht ebenso wenig wie der (einseitige) Versuch des Insolvenzschuldners, eine Abstimmungsmehrheit durch Stimmenkauf herbeizuführen.[39] – einer Forderungsteilung zur Erzielung der Kopfmehrheit (vgl. § 244 Rdn. 17).
  • einem Ankauf einer Forderung zu einem die Quote übersteigenden Betrag. Ein solcher Forderungskauf ist unabhängig von einer Kenntnis der abstimmenden Gläubiger[40] nichtig, wenn der Verkäufer für seine Forderung einen höheren Preis erhält als bei planmäßiger Befriedigung.[41] Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Forderungskauf offen im Insolvenzplan ausgewiesen wird. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang des § 250 Nr. 2 mit § 226. Nach § 226 Abs. 1 sind innerhalb der Abstimmungsgruppen allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten. Die Begünstigung eines Beteiligten, welcher die anderen Beteiligten nicht zustimmen, ist nach § 226 Abs. 2 unzulässig. Ist die Begünstigung Gegenstand eines Abkommens durch das dem Beteiligten für sein Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, so ist das Abkommen nach § 226 Abs. 3 sogar nichtig, falls der Insolvenzplan zustande kommt.[42] Ist die Begünstigung zwar bekannt, aber nicht im Insolvenzplan enthalten, so ist sie nicht zustimmungsfähig. Es besteht nämlich die Gefahr, dass sich die Beteiligten durch eine bereits eingetretene Verschiebung der Stimmengewichte dagegen nicht mehr wehren können. Das Insolvenzgericht darf einen Insolvenzplan nicht bestätigen, wenn dessen Annahme auf einem Forderungskauf beruhen kann.[43]
  • der Anerkennung erdichteter Forderungen.[44]
  • einem Gläubiger, der von der unrichtigen Rangfeststellung seiner Forderung positive Kenntnis hatte. Ein Rechtsirrtum oder die bloße Möglichkeit einer Anfechtung der der Forderung zugrunde liegenden Rechtshandlung schließt eine solche Kenntnis in der Regel aus.[45]
  • einer Verheimlichung von Vermögensgegenständen.[46]
  • bei einem Verschweigen von Erkenntnissen (z.B. Realisierbarkeit von Anfechtungsansprüchen), die sich zwischen Planerstellung und Abstimmungstermin ergeben haben.[47]
  • gänzlich unklaren und unbestimmten Formulierungen, die sich auch bei Beschäftigung mit den Formulierungen und Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht erschließen.[48]
 

Rn 24

Mit der im Verhältnis zur Vergleichs- bzw. Zwangsvergleichsregelung[49] vorgenommenen Erweiterung des Vorlagerechts durch die InsO hatte sich auch der Kreis der potentiell unlauter Handelnden vergrößert, so dass neben den Handlungen des Schuldners auch diejenigen des Verwalters und wegen ihres mittelbaren Initiativrechts (vgl. § 218 Rdn. 12 ff.) auch die der Gläubiger auf unlautere Verhaltensweisen im Rahmen der Abstimmung zu untersuchen waren (beachte hierzu auch Rdn. 25). Durch das ESUG wurde der Kreis der potentiell unlauter Handelnden noch auf die am Schuldner beteiligten Personen erweitert.

[38] Zum Zwangsvergleich ebenso Kilger/K. Schmidt, KO § 188 Anm. 2a); LG Berlin, Beschluss vom 08.02.2005, 86 T 5/05, ZInsO 2005, 609 (612).; AG Duisburg, Beschluss vom 14.11.2001, 60 IN 107/00, ZInsO 2002, 737 (738); FK-Jaffé, § 250 Rn. 11 ff.; Smid/Rattunde/Martini, Rn. 17.21.
[40] MünchKomm-Sinz, § 250 Rn. 52, wonach keine Nichtigkeit bei Kenntnis der abstimmenden Gläubiger vorliegen soll. Wie hier BGH, Beschluss vom 03.03.2005, IX ZB 153/04, NZI 2005, 325 (327 f.); mit zust. Anm. Dziesiaty, jurisPR-InsR 9/2005, Anm. 2; mit zust. Anm. Smid, DZWIR 2005, 234 ff.; zust. Bähr, EWiR 2005, 547; a.A. Nerlich/Römermann-Rühle, § 250 Rn. 17.
[41] BGH, Beschluss vom 03.03.2005, IX ZB 153/04, ZinsO 2005, 487 (489); a.A., wenn die Forderung von einem Dritten im eigenen Interesse und auf eigene Rechnung erworben wird Krebs, NJW 1951, 788 (789); Künne, DB 1978,. 729 (730).
[42] BGH, Urteil vom 16.06.1952, IV ZR 131/51, NJW 1952, 1009 (1010).
[43] BGH, Beschluss vom 03.03.2005, IX ZB 153/04, NZI 2005, 325 (327 f.); mit zust. Anm. Dziesiaty, jurisPR-InsR 9/2005, Anm. 2; mit zust. Anm. Smid, DZWIR 2005, 234 ff.; zust. Bähr, EWiR 2005, 547.
[44] K. Schmidt-Spliedt, § 250 Rn. 13.
[45] LG Berlin, Beschluss vom 08.02.2005, 86 T 5/05, ZInsO 2005, 609 (613).
[46] LG Wuppertal, Beschluss vom 15.09.2015, 16 T 324/14, NZI 2016, 494 (495); Smid, DZWIR 2020, 491 (513).
[47] BGH, Beschluss vom 15.07.2010, IX ZB 65/10, ZInsO 2010, 1448 (1449); LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.04.2020, 2 09 T 109/20, BeckRS 2020, 27841.
[48] Frind, NZI 2007, 374 (378); angedeutet bei OLG Celle, Beschluss vom 20.11.2006, 4 U 166/06, ZInsO 2006, 1327 (1328).
[49] Siehe § 173 KO, § 2 Abs. 1 Satz 2 VerglO.

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