Rn 21

Solange der Schuldner sein Unternehmen selbst fortführt, hat der Insolvenzverwalter dessen Geschäftsführung zu überwachen. Ein Insolvenzplan kann auch vorsehen, dass die Gläubiger nach einer übertragenden Sanierung (vgl. § 217 Rn. 12) aus den Erträgen des Unternehmens befriedigt werden sollen. Dies ist eine, wenn auch in der Praxis selten genutzte Möglichkeit, mit einem gegenüber dem klassischen asset deal verringertem Kapitalaufwand das schuldnerische Unternehmen aus der Insolvenz heraus zu übernehmen und fortzuführen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit auch die übernehmenden Dritten eine Überwachung durch den Insolvenzverwalter zu dulden und zu finanzieren (vgl. § 269 Rn. 3 f.) haben.

 

Rn 22

Der Gesetzgeber hat in § 260 Abs. 3 die Vorgaben aufgestellt, unter denen ein übernehmender Dritter zur Duldung einer Überwachung verpflichtet sein soll.

 

Rn 23

Als Dritte werden dort nur juristische Personen und Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit (BGB-Gesellschaft, OHG, KG, Partenreederei) aufgeführt. Entscheidet sich mithin eine natürliche Person zur Fortführung des angeschlagenen Unternehmens, so geht die InsO davon aus, diese keiner Kontrolle zu unterwerfen.

Die Anordnung einer Überwachung nach § 260 Abs. 3 liegt dagegen dann nahe, wenn die übernahmewillige Person zur Beschränkung ihrer Haftung den Gläubigern des Schuldners gegenüber für die Fortführung des Schuldnerunternehmens eine eigene Kapitalgesellschaft gegründet hat.

 

Rn 24

Ob sie dann allerdings im Einzelfall auch durchgreift, hängt nach § 260 Abs. 3 wiederum davon ab, wann die Übernahmegesellschaft gegründet worden ist.

 

Rn 25

Wird das insolvente Unternehmen von einer bestehenden Gesellschaft aufgenommen, die bereits vor der Eröffnung des Verfahrens gegründet wurde, so kommt nach dem Wortlaut des § 260 Abs. 3 ebenfalls eine Überwachung generell nicht in Betracht. In diesem Fall kann den Gesellschaftern der übernehmenden Gesellschaft eine Überwachung der Tätigkeit ihres Unternehmens nicht zugemutet werden, da der insolvente Betrieb letztlich in ein anderes, wirtschaftlich gesundes Umfeld eingebettet wird, sich die Kontrolle in solchen Fällen nicht mehr auf die neu hinzuerworbenen Bereiche begrenzen lässt, sondern eine Gesamtüberwachung zur Folge haben müsste und insbesondere weil nach der Übernahme durch eine bestehende Gesellschaft deren bisheriges Vermögen den Insolvenzgläubigern für den Fall einer weiteren Krise haftet. Eine Überwachung ist mithin nicht nötig und kommt nur in Betracht, wenn die übernehmende Gesellschaft sich damit ausdrücklich einverstanden erklärt. Ansonsten fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Überwachung.

 

Rn 26

Wurde die Übernahmegesellschaft hingegen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und eigens zu dem Zweck der Übernahme und Weiterführung gegründet, geht § 260 Abs. 3 davon aus, dass der Übernehmende einer Kontrollpflicht unterliegt. Eine neugegründete Gesellschaft, die sog. Übernahmegesellschaft, soll dem Schuldner gleichgestellt und daher wie dieser überwacht werden. Abgestellt werden kann hier darauf, dass die Gesellschaft zielgerichtet zur Übernahme gegründet wurde und die Gesellschafter mithin bereits bei der Gründung mit der Überwachung rechnen mussten. Im Ergebnis soll sich die Überwachung damit grundsätzlich nur auf sog. echte Übernahmegesellschaften erstrecken (Auffanglösung). Nur deren Gesellschaftern sind die eventuell gravierenden Beschränkungen der eigenen Entscheidungsfreiheit zuzumuten.

 

Rn 27

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll für die Abgrenzung einer Übernahmegesellschaft i. S. d. § 260 Abs. 3 gegen eine sonstige Gesellschaft allein der Zeitpunkt der Gründung der übernehmenden Gesellschaft maßgeblich sein und darüber entscheiden, ob eine Überwachung vorgenommen werden muss oder auf diese verzichtet werden kann. Dieser formale Anknüpfungszeitpunkt wird dem Regelungsziel aber nicht gerecht.

 

Rn 28

Wenn der Regierungsentwurf davon ausging, dass allein bei einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründeten Gesellschaft die Gesellschafter wussten, was auf sie zukommt, ist das nicht richtig. Auch bei einer Übernahme eines insolventen Unternehmens durch eine bereits bestehende Gesellschaft können deren Gesellschafter die Möglichkeit einer erforderlichen Überwachung und deren Kosten in ihre Überlegungen einbeziehen und sich dann entsprechend entscheiden.

 

Rn 29

Die maßgebliche Rechtfertigung für die Überwachung der Übernahmegesellschaft kann deshalb nicht die Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit für deren Gesellschafter sein. Vielmehr ist allein entscheidend die Sicherstellung der Zahlungen an die Insolvenzgläubiger. Ist diese – insbesondere in Form ausreichender Sicherheiten – gegeben, bedarf es keiner Überwachung. Daher reicht es für einen Verzicht auf eine Überwachung aus, wenn die Haftung des Übernehmers sichergestellt ist. Das kann einerseits dadurch geschehen, dass der insolvente Betrieb vollständig in das Altunternehmen integriert wird und folglich auch eine Haftung ...

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