Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
3.1.1. Eröffnungsantrag des Schuldners
Rn 5
Zunächst setzt die Anordnung des Schutzschirms nach § 270b Abs. 1 einen eigenen Eröffnungsantrag des Schuldners nach § 13 voraus. Der Antrag eines Gläubigers ist nicht ausreichend. Der Schuldner kann also insbesondere nicht die Bearbeitung von Gläubigeranträgen dadurch verzögern, dass er – ohne selbst einen Insolvenzantrag zu stellen – schlicht einen Antrag auf Anordnung eines Schutzschirms stellt.
3.1.2. Drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
Rn 6
Voraussetzung für die Erhaltung der Frist zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b ist außerdem, dass der Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wurde. Nicht erheblich ist danach zunächst, ob nach dem Eröffnungsantrag Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder ob diese schon planmäßig vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten wird. Die eingetretene Zahlungsunfähigkeit ist nämlich auch kein zwingender Grund, das einmal angeordnete Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 4 aufzuheben. Stellt der Schuldner den Antrag auf Anordnung des Schutzschirms also erst – ggf. mehrere Tage – nach dem Eröffnungsantrag und nach dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung, ist für die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem der Schuldner einen eigenen Eröffnungsantrag gestellt hat.
Rn 7
Das Gesetz schränkt die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18) bzw. der Überschuldung (§ 19) nicht auf offensichtlich bekannte Tatsachen ein, so dass das Gericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 5 grundsätzlich den Schuldner zur Erklärung über bestimmte Tatsachen auffordern kann. Einen Sachverständigen oder einen vorläufigen Insolvenzverwalter kann das Gericht bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 270b nach dem ausdrücklich hierzu geäußerten Willen des Gesetzgebers jedoch nicht bestellen. Soll dies keine große zeitliche Verzögerung verursachen, muss der Schuldner bei Antragstellung bereits entsprechend aufbereitete Unterlagen vorlegen. Die Angaben werden sich auch aus der von einer geeigneten Person vorzulegenden Bescheinigung ergeben.
Rn 8
Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jedoch in zwei Richtungen sorgfältig zu prüfen. Einerseits schließt eine bereits bei Stellung des Eröffnungsantrages vorliegende Zahlungsunfähigkeit (§ 17) die Anordnung des Schutzschirms aus. Andererseits besteht auch eine gewisse Missbrauchsgefahr bezüglich des Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahrens, insbesondere im Hinblick auf die Regelungen der §§ 103 bis 128. Es ist daher sicher zu stellen, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit tatsächlich vorliegt und nicht nur vorgeschoben wird. Gerade die Möglichkeit der Eigenverwaltung mit dem vorgeschalteten Schutzschirmverfahren, das dem Schuldner selbst in der Unternehmensleitung zu bleiben gestattet, könnte zu dem Versuch verleiten, unternehmerische Entscheidungen unter Ausnutzung der insolvenzrechtlichen Lösungsmöglichkeiten zu treffen – gerade in der Erwartung, auch nach dem Durchlaufen des Insolvenzverfahrens immer noch Inhaber und Leiter des dann sanierten Unternehmens zu sein – ohne dass drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
3.1.3. Antrag auf Eigenverwaltung
Rn 9
Nicht zwingend erforderlich ist, dass der Schuldner den Eröffnungsantrag und den Antrag auf Eigenverwaltung gleichzeitig gestellt hat. Das dürfte aber zumeist der Fall sein, weil anderenfalls schon bei Stellung des Insolvenzantrages Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, die die Anordnung des Schutzschirms unnötig verkomplizieren.
3.1.4 Angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos
Rn 10
Das Schutzschirmverfahren darf vom Gericht nur angeordnet werden, wenn die damit angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, denn das Verfahren soll gerade der Vorbereitung der Sanierung dienen. Aus dem Gesetzeswortlaut folgt zunächst, dass eine bestimmte Sanierung angestrebt sein muss, mit anderen Worten schon eine gewisse Mindestvorstellung im Sinne eines groben Konzeptes über einen Sanierungsweg beim Schuldner vorliegen muss.
Rn 11
Die Umsetzung dieses groben Konzeptes darf nicht bereits bei Beantragung des Schutzschirms offensichtlich aussichtslos sein. Einem Konzept fehlt bereits eine Aussicht auf Erfolg, wenn einzelne Beteiligte, ohne die die Umsetzung nicht denkbar ist, ihre Zustimmung abschließend verweigert haben. Bestehen lediglich Zweifel, ob die Umsetzung erfolgreich sein wird, also z.B. ob ein Gläubiger tatsächlich einen höheren Sanierungsbeitrag leistet als er ihn in einem eröffneten Regelinsolvenzverfahren leisten müsste, begründet dies – mit Ausnahme der Fälle extremer Beitragsdifferenzen – nicht die offensichtliche Aussichtslosigkeit. Das Gericht hat insoweit eine eigene Einschätzung v...