Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Rn 29
Das Schutzschirmverfahren wird zwingend durch einen vorläufigen Sachwalter und bei Bedarf durch Anordnung weiterer Sicherungsmaßnahmen begleitet.
4.1. Bestellung des vorläufigen Sachwalters
Rn 30
Bei Anordnung des Schutzschirms wird ein vorläufiger Sachwalter bestellt, der den Schuldner nach § 270a Abs. 1 Satz 2 zu beaufsichtigen hat. Das Gericht ernennt – lediglich – einen vorläufigen Sachwalter und ordnet keinen Zustimmungsvorbehalt an (§ 270a Abs. 1). Der Sachwalter muss gemäß Abs. 2 Satz 1 verschieden von der Person des Ausstellers der Bescheinigung sein. Das sichert die Unabhängigkeit des Sachwalters. Ebenso wie der Aussteller dürften von Berufs wegen auch Personen, die sich mit dem Aussteller zur Berufsausübung oder in Bürogemeinschaft (§ 3 Abs. 2 BORA) zusammengeschlossen haben, von der Bestellung ausgeschlossen sein.
Rn 31
Bezüglich der Person des Sachwalters kann das Gericht von einem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Auf diese Weise wird das Vertrauen des Schuldners in das Verfahren der Eigenverwaltung gestärkt und er kann unter Aufsicht einer ihm vertrauenswürdig erscheinenden Person die Sanierung des Unternehmens vorbereiten. Der Sachwalter ist jedenfalls dann ungeeignet, wenn er vom Schuldner abhängig ist oder wenn er keinerlei nennenswerte Erfahrung in Insolvenzsachen hat. Eine bestimmte Berufserfahrung muss er jedoch nicht mitbringen. Auch hier ist das Gericht berechtigt, im Wege der Amtsermittlung nach § 5 Informationen über den vom Schuldner vorgeschlagenen Sachwalter einzuholen oder diesen selbst zu befragen.
Rn 32
Bestellt das Gericht eine andere als die vom Schuldner vorgeschlagene Person als vorläufigen Sachwalter, ist diese Entscheidung nach Abs. 2 Satz 2 zu begründen. Das dient der später von der Gläubigerversammlung vorzunehmenden Entscheidung, ob der bestellte Sachwalter beibehalten oder nach §§ 274 i. V. m. 57 die vom Schuldner vorgeschlagene Person zum Sachwalter gewählt werden soll. Gegen die Bestellung einer anderen Person als vorläufiger Sachwalter besteht kein Rechtsmittel. Auch das Rechtsmittel aus § 21 Abs. 1 Satz 2 (sofortige Beschwerde gegen die Anordnung vorläufiger Maßnahmen) besteht über die Verweisung durch Abs. 2 Satz 3 2. HS nicht, weil die Bestellung zum vorläufigen Sachwalter keine Maßnahme nach § 21 ist.
Rn 33
Der vorläufige Gläubigerausschuss ist bei der Bestellung des vorläufigen Sachwalters ebenfalls einzubinden. § 270b Abs. 2 verweist für die Bestellung des vorläufigen Sachwalters auf § 270a, nach dessen Abs. 1 Satz 2 die §§ 274, 275 entsprechend gelten, so dass wegen der dort vorgesehenen Verweisung zu §§ 56 bis 60 auch § 56a anwendbar ist.
4.2. Vorläufige Maßnahmen/Schutzschirm
Rn 34
Da das Gericht im nicht offensichtlich aussichtslosen Eigenverwaltungsverfahren davon absehen soll, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder einen Zustimmungsvorbehalt anzuordnen (§ 270a Abs. 1 Satz 1), um den Schuldner nicht aus der Leitungsfunktion zu verdrängen, sind neben der Bestellung des zur Beaufsichtigung verpflichteten vorläufigen Sachwalters weitere Maßnahmen möglich. Sie orientieren sich an den Maßnahmen, die im vorläufigen Insolvenzverfahren angeordnet werden können. Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 und 2 Nr. 1a, 3 bis 5 anordnen. Nach § 21 Abs. 1 hat (bei § 270b: kann) das Gericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Die zusätzliche Verweisung auf einzelne Maßnahmen aus § 21 Abs. 2 ist eher überflüssig, weil § 21 Abs. 2 ohnehin nur Regelbeispiele aufzählt. Die tiefere Bedeutung der Verweisung liegt in der Betrachtung der Vorschriften, auf die gerade nicht verwiesen wird, nämlich § 21 Abs. 2 Nr. 1 (vorläufiger Insolvenzverwalter) und Nr. 2 (Verfügungsbeschränkungen). Diese sollen im Schutzschirmverfahren also nicht angewendet werden.
Rn 35
Der Verweis auf § 21 verpflichtet das Gericht gemäß Abs. 3 Satz 3 2. HS bei einem Antrag des Schuldners dazu, nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu untersagen oder einzustellen. Diese Möglichkeit des Schuldners, sich dem unmittelbaren Vollstreckungszugriff seiner Gläubiger zu entziehen, hat dem Verfahren die Bezeichnung als Schutzschirmverfahren verliehen. Sie führt dazu dass der Schuldner nicht einmal die Zwangsvollstreckung solcher Forderungen fürchten muss, die er während des angeordneten Schutzschirmverfahrens begründet hat. Das Gericht hat kein Ermessen, diesen Antrag abzulehnen, weil das Ziel der Gesetzesno...