Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Rn 12
Nach Abs. 2 Satz 1 hat der Sachwalter die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen.
4.1 Bestandsaufnahme und Überwachung
Rn 13
Die Prüfung und Überwachung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners durch den Sachwalter ist darauf ausgerichtet, dass rechtzeitig flankierende Maßnahmen zur Sicherung der Insolvenzmasse veranlasst werden können, z.B. die Anordnung, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind (§ 277) oder die Kassenführung durch den Sachwalter (§ 275). Auf diese Weise können besonders wertvolle Massebestandteile zusätzlich geschützt werden, wenn die Gläubiger dem Schuldner nicht vollständig vertrauen, oder besonders "flüchtige" Massegegenstände transparenter für die Masse gesichert werden. Darüber hinaus versetzt die Prüfung und Überwachung den Sachwalter erst in die Lage, Haftungs- oder Anfechtungsansprüche durchsetzen zu können und seine weiteren Aufgaben zu erfüllen.
Rn 14
Die Überwachung des Schuldners muss die Beurteilung ermöglichen, ob die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, was nach Abs. 3 den Gläubigern anzuzeigen ist. Dazu muss sich der Sachwalter einen vollständigen Überblick über das Unternehmen des Schuldners einschließlich Material-, Personal- und Liquiditätsplanung verschaffen und laufend die Zweckmäßigkeit der vom Schuldner bereits geschlossenen und der zukünftigen Geschäfte sowie die Kassenführung kontrollieren.
Rn 15
Der Sachwalter hat außerdem die Ausgaben des Schuldners für die Lebensführung zu überwachen und darauf zu achten, dass die von § 278 hierfür gesetzten Grenzen nicht überschritten werden.
Rn 16
Dem Sachwalter stehen für die Erfüllung dieser Aufgabe nach Abs. 2 Satz 2 die Befugnisse des § 22 Abs. 3 zu. Der Sachwalter darf daher auch gegen den Willen des Schuldners die Geschäftsräume betreten und dort Nachforschungen anstellen. Der Schuldner hat ihm Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten, ihm erforderliche Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Diese Verpflichtung des Schuldners kann gemäß §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 auch durchgesetzt werden.
4.2 Nachteilsanzeige
Rn 17
Nach Abs. 3 hat der Sachwalter unverzüglich die Gläubiger und das Insolvenzgericht zu informieren, wenn er Umstände feststellt, die erwarten lassen, dass Nachteile für die Gläubiger eintreten. Nachteilig ist es für die Gläubiger schon dann, wenn sich ihre Befriedigung verzögert oder wenn diese auch nur geringfügig schlechter ausfällt. Eine besondere Schwelle muss die Benachteiligung nicht überschreiten, sondern es genügt jeder Nachteil, der bei den Gläubigern eintritt. Dem Wortlaut zufolge muss der Nachteil zu erwarten sein. Die Wahrscheinlichkeit für seinen Eintritt muss daher den Grad der bloßen Möglichkeit deutlich überschreiten. Kann (noch) nicht geklärt werden, ob Nachteile tatsächlich eintreten werden, besteht keine Pflicht des Sachwalters zur Information oder Anzeige. Die bloße Nichterfüllung von Mitwirkungs- oder Informationspflichten des Schuldners begründet daher eine Anzeigepflicht nur dann, wenn sich der Sachwalter auch nach Durchsetzung dieser Pflichten gegenüber dem Schuldner kein abschließendes Bild verschaffen kann und tatsächliche Anzeichen für eine Schlechterstellung der Gläubigerbefriedigung bestehen. Dass durch die Anzeige Nachteile für die Gläubiger noch verhindert werden können, ist nicht Voraussetzung für die Anzeigepflicht.
Rn 18
Die Anzeige des Sachwalters hat gegenüber dem Insolvenzgericht und gegenüber dem Gläubigerausschuss zu erfolgen, falls letzterer nicht bestellt ist, gegenüber allen Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und gegenüber absonderungsberechtigten Gläubigern. Eine Anzeige an die Massegläubiger oder an die Gesellschafter muss nicht erfolgen, obwohl diesen der erheblich größere Schaden droht und obwohl in der Eigenverwaltung eine persönliche Haftung der handelnden Person zwingend nur nach §§ 277 Abs. 1 Satz 2, 61 vorgesehen ist. Eine öffentliche Bekanntmachung dieser Anzeige ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sie kann daher nicht grundsätzlich als Ersatz für die Anzeige durchgeführt werden, sondern kommt lediglich in Betracht, wenn der Sachwalter keine oder (v.a. bei absonderungsberechtigten Gläubigern, die nicht zwingend anmelden) nur eine sehr stark eingeschränkte Kenntnis von der Identität der Gläubiger hat. Nur in solchen Fällen überwiegt das Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs (sprich: der nicht bekannten Gläubiger) nach Information das Persönlichkeitsrecht des Schuldners. Voraussetzung für die Veröffentlichung dürfte daher sein, dass der Sachwalter zumindest versucht hat, beim Schuldner die Identität nicht bekannter Gläubiger zu erfahren.
Rn 19
Die Gläubiger sollen mit dieser Information in die Lage versetzt werden, aus dem bisherigen Verhalten des Schuldners Schlüsse für die Zukunft zu ziehen und ggf. eine Aufhebung der Eigenverwaltung...