Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Rn 17
Nach Abs. 3 hat der Sachwalter unverzüglich die Gläubiger und das Insolvenzgericht zu informieren, wenn er Umstände feststellt, die erwarten lassen, dass Nachteile für die Gläubiger eintreten. Nachteilig ist es für die Gläubiger schon dann, wenn sich ihre Befriedigung verzögert oder wenn diese auch nur geringfügig schlechter ausfällt. Eine besondere Schwelle muss die Benachteiligung nicht überschreiten, sondern es genügt jeder Nachteil, der bei den Gläubigern eintritt. Dem Wortlaut zufolge muss der Nachteil zu erwarten sein. Die Wahrscheinlichkeit für seinen Eintritt muss daher den Grad der bloßen Möglichkeit deutlich überschreiten. Kann (noch) nicht geklärt werden, ob Nachteile tatsächlich eintreten werden, besteht keine Pflicht des Sachwalters zur Information oder Anzeige. Die bloße Nichterfüllung von Mitwirkungs- oder Informationspflichten des Schuldners begründet daher eine Anzeigepflicht nur dann, wenn sich der Sachwalter auch nach Durchsetzung dieser Pflichten gegenüber dem Schuldner kein abschließendes Bild verschaffen kann und tatsächliche Anzeichen für eine Schlechterstellung der Gläubigerbefriedigung bestehen. Dass durch die Anzeige Nachteile für die Gläubiger noch verhindert werden können, ist nicht Voraussetzung für die Anzeigepflicht.
Rn 18
Die Anzeige des Sachwalters hat gegenüber dem Insolvenzgericht und gegenüber dem Gläubigerausschuss zu erfolgen, falls letzterer nicht bestellt ist, gegenüber allen Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und gegenüber absonderungsberechtigten Gläubigern. Eine Anzeige an die Massegläubiger oder an die Gesellschafter muss nicht erfolgen, obwohl diesen der erheblich größere Schaden droht und obwohl in der Eigenverwaltung eine persönliche Haftung der handelnden Person zwingend nur nach §§ 277 Abs. 1 Satz 2, 61 vorgesehen ist. Eine öffentliche Bekanntmachung dieser Anzeige ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sie kann daher nicht grundsätzlich als Ersatz für die Anzeige durchgeführt werden, sondern kommt lediglich in Betracht, wenn der Sachwalter keine oder (v.a. bei absonderungsberechtigten Gläubigern, die nicht zwingend anmelden) nur eine sehr stark eingeschränkte Kenntnis von der Identität der Gläubiger hat. Nur in solchen Fällen überwiegt das Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs (sprich: der nicht bekannten Gläubiger) nach Information das Persönlichkeitsrecht des Schuldners. Voraussetzung für die Veröffentlichung dürfte daher sein, dass der Sachwalter zumindest versucht hat, beim Schuldner die Identität nicht bekannter Gläubiger zu erfahren.
Rn 19
Die Gläubiger sollen mit dieser Information in die Lage versetzt werden, aus dem bisherigen Verhalten des Schuldners Schlüsse für die Zukunft zu ziehen und ggf. eine Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen. Ihnen steht dafür der Weg offen, gemäß § 75 die Einberufung der Gläubigerversammlung und dort mit Beschluss gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 die Aufhebung der Eigenverwaltung oder die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes zu beantragen. Der Sachwalter selbst ist nicht befugt, die Einberufung einer Gläubigerversammlung gemäß § 75 zu verlangen, da bei den umfangreichen Verweisungen in § 274 Abs. 1 diese Vorschrift gerade nicht für entsprechend anwendbar erklärt wurde. Eine solche Befugnis ist auch in der Sache nicht erforderlich, da der Sachwalter gemäß § 274 Abs. 3 ohnehin das Insolvenzgericht informieren muss und dieses selbst über die Einberufung einer Gläubigerversammlung gemäß § 74 entscheiden kann. Darüber hinaus können mit der Information des Sachwalters auch einzelne Gläubiger gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen, wenn auch die dort genannten weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Rn 20
Soweit Eilmaßnahmen zur Sicherung der Insolvenzmasse angezeigt scheinen, bleibt dem Sachwalter das Recht, die Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 an sich zu ziehen. Für unaufschiebbare Fälle sieht § 277 Abs. 2 vor, dass absonderungsberechtigte Gläubiger oder Insolvenzgläubiger die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bei dem Insolvenzgericht beantragen können. Handelt es sich um bedeutende Rechtshandlungen, kann der Sachwalter bis zur Entscheidung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung nach §§ 276, 161 Satz 2 bei Gericht deren vorläufige Untersagung beantragen.