Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Rn 8
Liegt eine besonders bedeutsame Rechtshandlung vor, hat der Schuldner beim Gläubigerausschuss um Zustimmung nachzusuchen. Die Beschlussfassung muss nicht zwingend im Rahmen einer physischen Ausschusssitzung erfolgen. Vielmehr ist auch eine Entscheidung im Rahmen einer Telefonkonferenz oder im schriftlichen Verfahren möglich.
Rn 9
Wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist, hat nach § 160 Abs. 1 Satz 2 der Schuldner die Gläubigerversammlung um Zustimmung zu ersuchen. Auch wenn § 75 dem Schuldner selbst kein Recht zur Einberufung der Gläubigerversammlung einräumt, wird man dem Zweck des § 276 entnehmen dürfen, dass das Gericht auf Antrag des Schuldners eine Gläubigerversammlung einzuberufen hat, damit er die Zustimmung einholen kann.
Rn 10
Auffällig ist, dass in Satz 2 nur auf § 160 Abs. 1 Satz 2 verwiesen wird, nicht aber auf dessen Satz 3. Dort ist geregelt, dass die Zustimmung einer Gläubigerversammlung dann als erteilt gilt, wenn sie beschlussunfähig bleibt, sofern die Gläubiger bei der Ladung darauf hingewiesen worden sind. Historisch ist diese Verweisungslücke nachvollziehbar, weil die Verweisung in Satz 2 auf § 160 Abs. 1 Satz 2 bereits längst gegolten hat, bevor durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 erst § 160 Abs. 1 Satz 3 angefügt wurde. Es liegt daher nahe, dass eine Ergänzung des Verweises in Satz 2 bei Erweiterung der Bezugsnorm schlichtweg übersehen wurde. § 160 Abs. 1 Satz 3 sollte daher in der Eigenverwaltung zur entsprechenden Anwendung kommen, zumal bei einem Eigenverwaltungsverfahren, bei dem schon kein Gläubigerausschuss existiert, dem Schuldner nicht auch noch – im Vergleich zum Standardinsolvenzverfahren – erhöhte Verfahrenshürden auferlegt werden sollten.
Rn 11
Satz 2 verweist auch auf § 161 Satz 2. Danach kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners oder einer in § 75 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Mehrzahl von Gläubigern die Vornahme der Rechtshandlung vorläufig untersagen und eine Gläubigerversammlung einberufen, die über die Vornahme beschließen soll. Dies gilt auch dann, wenn der Gläubigerausschuss bereits seine Zustimmung erteilt hat. Vor der Entscheidung des Gerichts ist bei der Eigenverwaltung der Sachwalter anzuhören. Außerdem muss der Schuldner gehört werden, da er über die wirtschaftlichen Hintergründe die umfassendsten Auskünfte erteilen kann. Dem Sachwalter muss dabei aber auch ein eigenes Recht zur Beantragung der vorläufigen Untersagung zustehen. Das ergibt sich aus der entsprechenden Anwendbarkeit der Vorschrift und aus ihrem Zweck, weil der Sachwalter am besten derartige Handlungen kurzfristig verhindern kann. Da allerdings Satz 2 nicht auf § 161 Satz 1 Bezug nimmt, entfällt die dort vorgesehene Informationspflicht des Insolvenzverwalters an den Schuldner. Das ist zwar konsequent, weil nicht der Insolvenzverwalter (hier: Sachwalter) die bedeutende Rechtshandlung vornimmt, sondern der Schuldner. Dem Schuldner wird aber keine Pflicht auferlegt, vor der Vornahme der bedeutenden Rechtshandlung den Sachwalter zu informieren, so dass dieser möglicherweise nur im Rahmen der Abstimmung der Geschäftsvorfälle nach § 275 Information über die bevorstehende bedeutende Rechtshandlung erlangt.
Rn 12
Der Beschluss der Gläubigerversammlung kann gemäß § 78 angegriffen werden, wenn er dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht.
Rn 13
Durch den Verweis von Satz 2 auf § 164 ist klargestellt, dass eine vom Schuldner ohne die erforderliche Zustimmung vorgenommene bedeutende Rechtshandlung gleichwohl wirksam ist. Das ist aus Gründen des Vertrauensschutzes zwar richtig, weil Vertragspartner des Schuldners keinen Einblick in den Ablauf des Insolvenzverfahrens haben und daher keine Kenntnis davon besitzen, ob der Schuldner die Zustimmung eingeholt hat oder nicht. Dieser Vertrauensschutz wirkt einseitig zu Lasten der Gläubiger, da bei diesen ggf. der Schaden eintritt, für den sie niemanden gemäß § 60 haftbar machen können. Das wird den Gläubigern jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers zugemutet, der die Hürden für die Anordnung der Eigenverwaltung in § 270 Abs. 2 Nr. 2 mit dem ESUG herabgesetzt hat.
Rn 14
Sofern die bedeutende Rechtshandlung aber ein Rechtsgeschäft ist, dessen Wirksamkeit nach § 277 von der Zustimmung des Sachwalters abhängen soll, geht diese Verfügungsbeschränkung, die gemäß § 277 Abs. 3 öffentlich bekannt zu machen ist, vor. Sowohl der Zustimmungsvorbehalt nach § 277 als auch die vorläufige Untersagung der Vornahme der Rechtshandlung gemäß § 161 Satz 2 sind absolut wirkende Verfügungsverbote.
Rn 15
Unterlässt es der Schuldner, die erforderliche Zustimmung einzuholen und nimmt er die bedeutende Rechtshandlung trotzdem vor, drohen ihm zunächst keine unmittelbaren Folgen. Gegebenenfalls ergibt sich daraus aber ein Umstand, aus dem der Sachwalter folgert, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führt und er zeigt dies gemäß § 274 Abs. 3 dem Gericht und den Gläubigern an. Dann muss der Schuldner ...