4.1 Grundlagen der Restschuldbefreiung
Rn 25
Die Restschuldbefreiung wurde nach der Allgemeinen Begründung als "soziales und freiheitliches Anliegen" zur endgültigen Schuldenbereinigung des redlichen Schuldners angesehen.
Rn 26
§ 1 sieht deshalb neben der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger durch Verwertung des Schuldnervermögens oder durch anderweitige Regelung in einem Insolvenzplan als weiteres Ziel des Insolvenzverfahrens vor, dem redlichen Schuldner die Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens verbleibenden Verbindlichkeiten endgültig zu befreien.
Rn 27
Dementsprechend steht das Recht der freien Nachforderung gemäß § 201 Abs. 1 und Abs. 2 unter dem Vorbehalt, dass dem Schuldner keine Restschuldbefreiung erteilt wird (§ 201 Abs. 3).
Rn 28
Das Restschuldbefreiungsverfahren ist ein justizförmig ausgestaltetes, also förmliches Verfahren, das im Anschluss an das abgeschlossene (aufgehobene) Insolvenzverfahren unter der Leitung des Insolvenzgerichts stattfindet.
Rn 29
Es ist ein eigenständiges Verfahren, das sich dem Regel- oder dem Verbraucherinsolvenzverfahren anschließt und auch bei Feststellung der Masseunzulänglichkeit möglich ist.
Rn 30
Die Restschuldbefreiung soll auch entscheidende Anreize für den Schuldner setzen, ein Höchstmaß an Gläubigerbefriedigung zu bewirken. Für die Gläubiger wird entsprechend dem Hauptziel der Haftungsverwirklichung durch die Erschließung des künftigen Einkommens des Schuldners in der Wohlverhaltensperiode die gemeinschaftliche Befriedigung erst ermöglicht.
Rn 31
Die Restschuldbefreiung betrifft nur Insolvenzforderungen und damit vermögensrechtliche Ansprüche von Gläubigern, die aus Geldforderungen oder solchen, die sich in einen Geldanspruch umwandeln lassen, bestehen.
Rn 32
Die einem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung hat Wirkung gegenüber allen Insolvenzgläubigern (§ 38) und gegenüber denen, die ihre Forderungen nicht oder verspätet angemeldet haben (§ 301 Abs. 1). Ausgenommen sind Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, Geldstrafen und zinslosen Darlehen zur Begleichung von Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 302). Keine Wirkung besteht gegenüber Masseverbindlichkeiten, da es sich um keine Insolvenzforderungen handelt. Unberührt bleiben dingliche Sicherungen von Gläubigern und deren Ansprüche gegenüber Mitschuldnern und Bürgen (§ 301 Abs. 2).
4.2 Übersicht über den Ablauf des Restschuldbefreiungsverfahrens
Rn 33
Jede verschuldete, überschuldete, zahlungsunfähige oder in ganz erheblichen Zahlungsschwierigkeiten befindliche Person kann sich frei entscheiden, ob sie zusammen mit einem Eröffnungsantrag einen Restschuldbefreiungsantrag stellen will. Ein staatlicher Zwang wird nicht ausgeübt; es besteht lediglich die Chance der Restschuldbefreiung. Ist aber durch Fremd- oder Eigeneröffnungsantrag ein Insolvenzverfahren anhängig, ist das Insolvenzgericht gemäß § 20 Abs. 2 verpflichtet dem Schuldner einen Hinweis zu erteilen, dass er (nur verbunden mit einem eigenen Eröffnungsantrag) auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen und damit auch die Befreiung der nach Abschluss des Insolvenzverfahrens verbleibenden Schulden erlangen kann.
Rn 33a
Ist nach einem Gläubigerantrag dem Schuldner der Hinweis gem. § 20 Abs. 2 erteilt worden und reagiert er nicht mit eigenen Anträgen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag des Gläubigers, kann er erst nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Jahren nach der Verfahrenseröffnung einen eigenen Eröffnungsantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Das Verfahren über den vorangegangenen Gläubigerantrag muss auch zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen und aufgehoben sein. Wie bei § 290 Abs. 1 Nr. 3 und 4 soll hier in Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 eine Sperrfrist gelten, die entsprechend der Sperrfrist des § 290 Abs. 1 Nr. 2 angemessen sei.
Rn 34
Das Restschuldbefreiungsverfahren bildet neben dem Schuldenbereinigungsplanverfahren (Verbraucherinsolvenzverfahren), dem Eröffnungsverfahren und dem eröffneten Insolvenzverfahren einen besonderen Verfahrensabschnitt.
Rn 35
Das bis 30.6.2014 geltende Restschuldbefreiungsverfahren gemäß §§ 287 bis 303 a. F. sah grundsätzlich die nachfolgenden Verfahrensschritte vor:
- Antrag des Schuldners (natürliche Person);
- Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens;
- Abhaltung des Schlusstermins am Ende eines Insolvenzverfahren oder mit Abschluss und Fristsetzung im schriftlichen Verfahren (§ 5 Abs. 2, § 312 Abs. 2) bzw. Abhaltung einer Gläubigerversammlung vor Erlass eines Beschlusses zur Einstellung des Verfahrens wegen Masseunzulänglichkeit (§ 289 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 211);
- Ankündigung der Restschuldbefreiung und Einsetzung eines Treuhänders (§ 291);
- Entscheidung über die Restschuldbefreiung nach beanstandungsfreiem Ablauf der sog. Wohlverhalte...