Rn 42
Die Insolvenzordnung sah in ihrer ursprünglichen Fassung eine Dauer der Abtretung von sieben Jahren vor, die mit der Aufhebung des eröffneten Insolvenzverfahrens begann. Für Fälle, bei denen der Schuldner schon vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig war, wurde durch Art. 107 EGInsO der Zeitraum auf fünf Jahre verkürzt. Durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung, das am 1.12.2001 in Kraft trat, wurde die Dauer für alle nach Inkrafttreten eröffneten Verfahren auf sechs Jahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgelegt, wodurch eine erhebliche Verkürzung eintrat. In Altfällen ist eine Verkürzung der Laufzeit selbst bei verzögerter Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht möglich. Die Verkürzung auf fünf Jahre ist für diese Neufälle nun nicht mehr möglich. Art. 107 EGInsO wurde aufgehoben. Die eigentliche Wohlverhaltensperiode ("Dauer der Abtretungserklärung gemäß § 295 Abs. 1"), in der der Schuldner die Obliegenheiten aus § 295 beachten muss, beginnt erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung, während die Frist von sechs Jahren ab Eröffnung des Verfahrens läuft.
Rn 43
Analog § 299 kann, ohne den Ablauf der Abtretungszeit von sechs Jahren abzuwarten, die Restschuldbefreiung bereits im Schlusstermin erteilt werden, wenn im eröffneten Insolvenzverfahren kein Insolvenzgläubiger eine Forderung zur Tabelle angemeldet hat und der Schuldner nachweisen kann, dass sämtliche Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten bezahlt sind. Nach Auffassung des BGH liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, der § 299 nicht entgegensteht, weil diesem nicht entnommen werden könne, dass eine Wohlverhaltensphase nicht auf andere Weise beendet werden könne. Diese Regelungslücke könne im Wege der Analogie geschlossen werden. Sofern ein Gläubigerschutz angeführt wird, sei zu berücksichtigen, dass es nicht am Verfahren teilnehmenden Gläubigern verwehrt ist, Verfahrensrechte in der Wohlverhaltensphase wahrzunehmen und eine Versagung zu betreiben. Diesen gegenüber hat der Schuldner auch keine Obliegenheiten.
Rn 44
Wenn vor Ablauf der Wohlverhaltensperiode alle Gläubigerforderungen, nebst Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten vom Schuldner getilgt sind, ist aus den gleichen Gründen die Wohlverhaltensperiode vorzeitig zu beenden, denn auch in diesem Fall bestehen keine Obliegenheiten mehr. Durch § 300 n. F. kommt allerdings schon eine Erteilung der Restschuldbefreiung bei Tilgung von 35 % der Forderungen und der Verfahrenskosten in Betracht. Für nicht vorhandene Gläubiger müssen keine Abtretungsbeträge mehr gesammelt werden und weitere Vergütungen für den Treuhänder verursacht werden. Hat der Schuldner mit allen Insolvenzgläubigern, die Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, in der Wohlverhaltensperiode einen Vergleich geschlossen und sind die Ansprüche dieser Gläubiger daraufhin durch Teilzahlung und Teilerlass erloschen (§§ 397 Abs. 1; 362 Abs. 1 BGB), ist auf Antrag des Schuldners die Wohlverhaltensphase vorzeitig zu beenden. Zusätzlich muss er nachweisen, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind.
Rn 45
Nach Ablauf der "Wohlverhaltensphase" (Ablauf der Abtretungserklärung von sechs Jahren gem. § 287 Abs. 2 Satz 1) und Erfüllung der Obliegenheiten ist das Gericht durch den zuständigen Rechtspfleger gemäß § 300 zwingend verpflichtet über die Restschuldbefreiung nach Anhörung von Schuldner, Insolvenzgläubiger und Treuhänder mit den Wirkungen des § 301 bei der Erteilung der Restschuldbefreiung zu entscheiden. Dies gilt auch, wenn das eröffnete Verfahren noch nicht aufgehoben wurde.